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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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es dazu, sich von dem Vieh durchbohren zu lassen?« Tirîgon sah die Eleganz des Einhorns bei jedem seiner Schritte. Kraftvoll, genau dosiert, die großen Augen dabei stets auf die Albae gerichtet, um sofort handeln zu können.
    Das Auftauchen eines zweiten Gegners machte ihm nichts aus. Es schnaubte kampflustig und stieß dröhnendes Wiehern aus. Die weiße Mähne wehte, und der Schweif fegte mit einem hellen Zischen durch die Luft.
    Mit einem neuerlichen Schwenk stellte es sich in gerader Linie zu den Albae. Es senkte den breiten Kopf leicht zur neuerlichen Attacke.
    Tirîgon sah, dass sämtliche Türen mit dicken Bohlen versehen waren. Höchstens ein Rammbock wäre durch die Eingänge gelangt. Die Halle war zu einer Arena geworden, in der sich Alb und Einhorn ein finales Duell lieferten.
    »Ich muss«, sagte Sisaroth und behielt es im Blick, »das Horn abtrennen und in den Stumpf etwas von meinem Blut geben, damit unsere Magie das Gute aus ihm treibt.«
    »Mehr ist es nicht? Hatte uns Vater damals nicht erzählt, wie Caphalor …«
    Sisaroth hob den verzierten Totenschädel an. »Shëidogîs wird mir die rechten Formeln sagen, die ich dazu sprechen muss. Geh hinauf. Du vermagst mir nicht zu helfen. Stell dich auf die Treppe, damit es nicht … Achtung! Es kommt!«
    Tirîgon hatte es nicht gewagt, den Kopf abzuwenden, und sah das Einhorn auf sie zupreschen.
    Die Hufe stampften auf die Mosaiken, sprengten Steinchen heraus und zermalmten sie. Zornig wiehernd flog es heran, die Hornspitze mal auf ihn, mal auf seinen Bruder gerichtet. Es schien sich einen Spaß daraus zu machen, die Albae im Unklaren zu lassen, wen es treffen sollte.
    Tirîgon war so vom Anblick und der Schönheit des tödlichen Wesens eingenommen, dass ihm der Sprung zur Seite missglückte.
    Er entkam zwar dem Horn, doch der Zusammenprall mit Hals und Flanke schleuderte ihn durch die Halle.
    Knapp! Sehr knapp! Tirîgon setzte den ungewollten Schwung ein, um seinen Flug zu einer Rolle umzuwandeln, und fing sich ab – rechtzeitig, um dem zustechenden Horn erneut auszuweichen.
    Verflucht! Wie schnell ist diese Kreatur? Die Spitze schrammte über seine Rüstung und hinterließ eine tiefe Rille darin. Der Stoß schob ihn brachial rückwärts, raubte ihm die Luft. Jeder andere Harnisch hätte nicht gehalten.
    Hustend prallte er mit dem Rücken gegen eine Tür und drehte sich gerade noch nach rechts, als das Horn bereits dicht an ihm vorbei in das Holz fuhr.
    Tirîgon vermochte dem Schimmel ins rot geäderte Auge zu sehen. Er las darin Hass und unbändigen Willen, seine Peiniger zu töten. Du Biest! Dich werden wir zähmen!
    Die dicken Muskeln am Hals des Tiers schwollen abrupt an. Anstatt das Horn herauszuziehen, führte es eine waagrechte Bewegung und teilte die dicke Tür bis zur steinernen Einfassung; als es den Kopf anhob, riss das Einhorn Mauerstücke heraus, die zusammen mit Staub und Brocken gegen den Alb flogen.
    Seine Kraft ist schwer zu bändigen. Tirîgon sprang hinter einer Säule in Deckung, da ihm das feine Gesteinsmehl die Sicht trübte.
    »Weg!«, rief Sisaroth seitlich von ihm.
    Aufgeschreckt durch die Warnung, duckte er sich – und über ihm krachte ein Huf in den Marmor und brachte ihn zum Platzen, als wäre ein Geschoss aus einer Belagerungsmaschine eingeschlagen. Der Pferdekörper flog heran, um ihn zu rammen.
    Wieder musste Tirîgon eine Rolle schlagen, spürte den Luftzug, als die tretenden Hinterläufe ihn verfehlten, und kauerte sich in den Schutz des nächsten Pfeilers. Wieso hasst es mich mehr? Er bemühte sich, flach zu atmen, um sich nicht zu verraten. Liegt es an der Rüstung?
    Die Hufe klapperten an ihm vorbei.
    Tirîgon erhob sich aus seiner Deckung und sah das Hinterteil und den hochstehenden Schweif herumschwenken, während Sisaroth vor der Treppe hin und her hüpfte, um das Einhorn zum Angriff zu reizen. Wie will er es bändigen? Die Raserei, nachdem das Horn abgeschlagen wurde, wird seine körperlichen Kräfte verzehnfachen. Er sah die Halle durch das Wirken des Wesens in Schutt versinken. Nicht einmal das dicke Holz und der Stein hatten es aufhalten können.
    Das Einhorn trabte auf seinen Bruder zu, schnaufte deutlich und blähte die Nüstern; dann hob es den Kopf, die wachen Augen ließen die Blicke schweifen, bis sie an den Stufen hängen blieben.
    Es suchte sich einen Ausweg. Tirîgon schlich näher heran und hielt respektvollen Abstand zu den Hinterläufen. »Gib acht! Es wird dich über den Haufen rennen und in

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