Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
mir die doppelte Ration. Die Infamen lieben mich mehr als ihn.
»Acòrhia!«, ertönte Wènelons freudige Stimme in ihrem Rücken. »Ich dachte schon, ich sei allein hier!« Lichtschein fiel über sie. Der Alb kam näher und stieß einen erschrockenen Laut aus. »Ist das … Phodrôis?«
»Ja.« Noch hatte sich die Geschichtenweberin nicht umgewandt, ihre Hand legte sich an den Dolchgriff. Acòrhia beugte sich nach vorn und sog laut die Luft ein, als leide sie Schmerzen im Unterleib. »Wir rasteten, als uns Óarcos attackierten. Sie haben ihn umgebracht und mich verwundet.« Sie reckte den freien Arm Hilfe suchend nach hinten. Behutsam zog sie die Waffe. Und wie die Infamen mich lieben! Sie sandten mir gar ein drittes Fläschchen. »Stützt du mich? Ein zweiter Schlag streifte meinen Oberschenkel, ich kann kaum gehen.«
»Sicher! Warte, ich schaue mir deine Wunde an.« Es plumpste, als er seinen Rucksack abstreifte und zu Boden fallen ließ. »Ich muss mich entschuldigen. Ich wollte uns nicht verraten, doch … ich konnte nicht anders. Ich bin nicht so stark wie du.« Wènelon stellte die Lampe ab.
Genau dieses Geräusch warnte Acòrhia. Warum legt er das Licht ab, wenn er nach meiner Verletzung schauen möchte?
Sie warf sich zur Seite.
Sein Schwert surrte waagrecht über sie hinweg und trennte zwei rote Haarlocken ab, prallte gegen die Höhlenwand und sprengte Steinsplitter heraus. Als Wènelon nach ihr trat, hielt sie den Dolch dagegen.
Ihre Klinge durchdrang die Sohle, den Fuß und das Oberleder. Blutig trat die Spitze aus.
Acòrhia ließ den Griff los. »Du wolltest mich erledigen!«, stieß sie wütend hervor. Dabei war es meine Idee, die anderen umzubringen.
Wènelon hüpfte schreiend rückwärts, das Auftreten gelang ihm wegen des Dolches in seinem Fleisch nicht. »Du wolltest das Gleiche mit mir tun«, gab er gepresst zurück und stürzte über seinen Rucksack. »Gib es zu!«
Die Geschichtenweberin riss ihren zweiten Dolch heraus und setzte dem Alb nach. »Und ich bin noch nicht fertig!« Sie fegte Geröll mit dem Fuß gegen sein Gesicht, ließ ihren Rucksack vom Rücken gleiten und schleuderte ihn ebenso nach Wènelon, um ihn zu irritierten.
Er rollte sich zur Seite, schlug blind mit dem Schwert um sich und hielt Acòrhia auf Abstand. »Warte! Warte! Wir sollten uns nicht gegenseitig töten«, stieß er unter Qualen hervor. »Lass uns zusammenhalten und die Übrigen zur Strecke bringen. Danach haben wir genug Gegenmittel, um Aïsolons Brut zu finden und zurückzubringen!«
»Ein guter Vorschlag, Wènelon.« Acòrhia stand vier Schritt von ihm entfernt. Er hält sich besser, als ich hoffte. Vermutlich weil es um sein Leben geht. »Das bedeutet, dass jeder von uns drei Fläschchen bekommt. Eines ging bereits zu Bruch.«
»So ist es«, gab er zurück und warf einen kurzen Blick auf seinen durchbohrten Fuß, in dem die Klinge wie ein überlanger Dorn stak. Er stöhnte leidvoll. »Haben wir einen Pakt?«
»Damit wirst du nicht laufen«, kommentierte sie und verstaute den Dolch, »und schon gar nicht kämpfen können. Findest du nicht auch, nüchtern betrachtet, dass das Gegenmittel reine Verschwendung an dir wäre?«
Wènelon blitzte sie finster an. »Ich werde mich schnell erholen.« Er streckte die Hand und zog das Bein an, um die Waffe aus seinem Körper zu ziehen.
»Das nehme ich kaum an. Ich hatte den Dolch benutzt, um meinen mit Exkrementen beschmutzten Hosensaum abzuschneiden«, eröffnete sie ihm kalt. »Die Wunde wird sich entzünden, und du wirst sterben, es sei denn, du schneidest dir selbst den Fuß ab.« Acòrhia lächelte grausam. »Ich muss nichts tun und dir nicht einmal zu nahe kommen. Außer abzuwarten.«
Wènelon gefror in der Bewegung. »Ah, so ist das? Gut. Ich werde dir die Freude verderben.« Er langte unter sein Gewand, zog das Fläschchen heraus und schleuderte es mit Schwung gegen die Felswand – doch Acòrhia sprang, warf dabei ihren Mantel und schaffte es, den Flug des zerbrechlichen Behältnisses mit dem weichen Stoff aufzuhalten.
Hart landete die Albin im Geröll, die Rippen der linken Seite knackten laut. Doch als sie nach dem Fläschchen griff, sah sie, dass es den Fall unbeschadet überstanden hatte. Das Gegenmittel war gerettet.
Acòrhia hielt sich die Seite und erhob sich, steckte mit einer überlegenen Bewegung die Phiole ein und nahm ihren Rucksack auf. Sie löschte seine Lampe und hängte sie an ihren Gürtel. Danach plünderte sie schweigend seinen
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