Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz
Stellvertreter.
»Wenn ich mich auf mein Glück verlassen muss, dann sitzen wir in der Patsche«, sagte Devun mit einem ironischen Lächeln. »Trotzdem danke für die Wünsche.«
Riasu führte ihn zum Lager. An jedem Feuer standen vier Krieger, an jedem Stammeszelt und jedem Feuer waren Männer und Frauen mit Kochen, Essen und dem Überprüfen der Waffen beschäftigt. Vor dem Prunkzelt waren einige Wachen postiert; Tessaya ging offenbar kein Risiko ein.
Gleich hinter dem Ring der Feuer hielt Riasu ihn noch einmal auf.
»Wartet, ich muss um Erlaubnis bitten, ehe Ihr eintreten dürft.«
Devun sah ihm nach, wie er stolz und groß zum Zelt marschierte und den Wachen knapp zunickte, die ihm Platz machten und sich gleich wieder umdrehten, um Devun mit unverhohlener Verachtung anzustarren. Er starrte zurück, war sich aber seiner Verletzlichkeit sehr bewusst. Falls etwas schief ging, wäre er blitzschnell tot.
Während er wartete, umwehten ihn die Gerüche des Lagers. Holzrauch und bratendes Fleisch, würzige Kräuter und sogar ein Hauch von Wachs von den Zeltleinwänden. Es war ein sehr gut geordnetes Lager, doch er hatte es nicht anders erwartet. Lord Tessaya war ein beeindruckender Mann, und dies machte sich schon bemerkbar, ehe Devun ihm überhaupt begegnet war. Er war verunsichert wie damals, als er Selik vorgestellt worden war.
Riasu ließ nicht lange auf sich warten. Er kehrte rasch zur Grenze des Lagers zurück und winkte ihn herein.
»Kommt mit«, sagte er.
Devun schritt an den Wächtern vorbei, einer von ihnen murmelte etwas. Die Worte konnte er nicht verstehen, aber der Tonfall und die Bedeutung waren völlig klar. Er blieb stehen und sah dem Wesmen-Krieger, der einen Kopf kleiner war als er, in die Augen.
»Du kannst sagen, was du willst«, sagte er, obwohl es sinnlos war, »aber wir werden Verbündete sein. Eines Tages wirst du mich achten.«
»Devun!«, fauchte Riasu. Dann stieß er einen wütenden Wortschwall in der Sprache der Wesmen aus, und der Wächter zog sich einen Schritt zurück und nahm die Hand vom Schwertgriff. »Keine Spiele.«
Devun ging zu Riasu hinüber, und dann marschierten sie an der sechs Mann starken Wache vorbei zu Tessayas Zelt. Zwischen Zeltleinwänden ging es eine kurze Gasse hinunter, bis ein weiterer Wächter einen dunkelgrünen Vorhang mit Quasten und Goldborte zur Seite zog.
»Begegnet dem Lord Tessaya mit Respekt«, warnte Riasu ihn.
Devun lächelte, und seine Ängste nahmen wieder zu. »Ich würde nicht im Traum daran denken, diesen Rat zu missachten.«
Er betrat den großen Innenraum des Prunkzelts und betrachtete das Himmelbett an der hinteren Wand, den schönen, geschnitzten Tisch, die sechs Stühle zu seiner Rechten und die einfachen Webteppiche, die den Boden vollständig bedeckten. Und er betrachtete die drei niedrigen, dunkelroten Plüschsofas, die rings um einen rechteckigen Tisch arrangiert waren, auf dem ein Krug, zwei Metallbecher und ein Brett mit Fleisch und Brot standen.
Vor dem Tisch erwartete ihn Tessaya, ein breitschultriger Mann, der sein schulterlanges Haar zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden hatte. Das verwitterte Gesicht trug die Narben unzähliger Schlachten, doch die Augen strahlten vor Kraft. Er trug locker fallende graue Gewänder, die an der Hüfte von einem dreifarbigen geflochtenen Band gehalten wurden. Mit freundlichem und keineswegs feindseligem Gesicht kam er dem Besucher entgegen, ohne ihm jedoch die Hand zu schütteln.
»Hauptmann Devun von den berüchtigten Schwarzen Schwingen«, sagte er in der Sprache des Ostens, die er hervorragend beherrschte. »Eine Schande, dass weder Selik noch sein Vorgänger Travers so klug waren, sich an mich zu wenden. Ich beglückwünsche Euch zu Eurer Entscheidung. Kommt und esst mit mir, wir haben viel zu besprechen.«
Zehntes Kapitel
Der Rabe brauchte fast drei Tage, um bis zum Rand der Kampfzone vorzustoßen. Drei Tage, in denen die zunehmende Sorge des Unbekannten um seine Angehörigen nur durch die Entschlossenheit in Schach gehalten wurde, den Raben wohlbehalten zum Ziel zu bringen, damit sie ihre Aufgabe erfüllen konnten. Das war der Unterschied zwischen ihnen, dachte Hirad. Er selbst wäre über die Straße geeilt und jedes Risiko eingegangen, weil für ihn das Marschtempo das einzig Entscheidende war. Der Unbekannte dagegen wusste, dass sie nichts erreichen konnten, wenn sie unterwegs geschnappt wurden.
Das hatte es natürlich nicht leichter gemacht, damit umzugehen. Wann immer sie,
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