Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
verblüfft. »Mir ist nicht bewusst, dass es einen gab.«
Blackthorne drehte sich demonstrativ zu den Männern um, die hinter ihm versammelt waren, lächelte sie an und betrachtete die Rüstungen.
»Nein, so etwas auch.« Er war überrascht und erfreut, und sein Kichern war nicht einmal gespielt. »Das ist ja noch besser, als ich gehofft hatte.«
Ferouc machte aus seiner Empörung kein Hehl. Sie zeigte sich vor allem darin, dass sich einige Adern verlagerten und seine Pigmente einen anderen Farbton annahmen. »Leider ist mir überhaupt nicht klar, wieso ihr in eurer Lage überhaupt etwas zu lachen habt.«
»Wir in unserer Lage? Nein, mein Gefängniswärter, du missverstehst uns wie schon so oft. Wir lachen dich aus.« Blackthorne räusperte sich. »Ich hatte angenommen, du könntest ihre Abwesenheit genauso spüren wie ihr Kommen. Wirklich amüsant finde ich aber die Tatsache, dass du anscheinend keine Ahnung hast, dass sie verschwunden sind. Du hast sie nicht einmal verfolgen lassen, was, Fummler?«
Ferouc knurrte, und jetzt entwickelte sich ein dramatischer Farbwechsel. Unter seiner Haut zuckten Adern, und die Muskeln auf seiner Brust wogten heftig. Er knackte hektisch mit den Fingern.
»Du lügst.«
»Aber nein, ich lüge nicht. Der Rabe ist fort. Direkt unter deiner Nase verschwunden, Fummler. Deshalb kannst du sie nicht mehr spüren. Du spürst sie doch nicht mehr, oder?« Blackthorne hielt inne. »Aber wenn du mir nicht glaubst, dann suche sie doch selbst. Ich garantiere dir freies Geleit in meiner Stadt. Es wird ungemütlich für dich, aber ich rechne damit, dass du es überleben wirst. Jedenfalls wirst du lange genug leben, um deinen Herren zu berichten, dass du etwas verloren hast, das ihr so dringend bekommen wolltet.«
Ferouc öffnete den Mund und stieß ein schrilles Kreischen aus. Er startete abrupt, und Blackthorne verfolgte
mit Blicken seinen Weg kreuz und quer durch die Stadt. Hin und wieder hielt er inne, schoss zum Rand der Kalträume, schnüffelte und raste wieder davon. Es waren verzweifelte, verstörte Bewegungen. Als Ferouc wieder landete, war er so wütend, dass er fast nicht mehr sprechen konnte. Seine Haut pulsierte in einem brodelnden Hellblau.
»Wo hast du sie versteckt?«, quetschte er heraus.
»Mein lieber Fummler«, erwiderte Blackthorne ruhig und gelassen, »ich versichere dir, dass sie fort sind. Meine Güte, es ist ja fast, als hättest du Angst vor ihnen, wenn sie sich nicht unter deiner Kontrolle befinden.«
Da war es. Genau das, worauf Blackthorne gehofft hatte. Ein Flackern in Feroucs Augen, und ein Zittern, das durch seinen Körper lief. Furcht. Das erste Mal, dass ein Mensch so etwas bei einem Dämonen sah, aber unverkennbar.
»Ihr werdet schrecklich dafür büßen.«
»Wirklich? Willst du noch mehr von denen töten, die schon tot sind? Sieh doch ein, dass du nichts tun kannst, was du nicht schon getan hast. Wir haben allerdings den Raben hinausgelassen, und der kann euch eine ganze Menge antun. Das Blatt wendet sich, Fummler, und du hast versagt.«
Mit einem weiteren Kreischen stieg Ferouc wieder hoch in die Luft und rief sein Gefolge zu sich.
»Seht Ihr?« Blackthorne deutete auf die rasch kleiner werdende Gestalt. »Deshalb müssen wir weiterkämpfen. Fummler weiß so gut wie wir, was der Rabe bewirken kann. Wir waren getrennt und schwach. Der Rabe kann uns vereinen, und das fürchten sie mehr als alles andere. Ich denke, Ihr solltet jetzt die Männer vorbereiten, die Eurem Befehl unterstehen. Es dürfte hier bald etwas hitzig zugehen.«
Fünfzehn Tage lang segelte die Calaianische Sonne an der südlichen, an der östlichen und schließlich an der nördlichen Küste Balaias entlang. Der Ausblick von der Backbordreling war endlos und betörend. Wilde Landschaften, steile Klippen und prächtige weiße Sandflächen wechselten einander an der Küste ab und verhießen noch mehr Schönheit im Landesinneren.
Nicht, dass der Rabe zwischen dem Morgengrauen und der Abenddämmerung viel davon zu sehen bekam. Darrick führte ein strenges Regiment und erlegte ihnen Übungen auf, die in etwa dem entsprachen, was früher die Rekruten der lysternischen Kavallerie hatten über sich ergehen lassen müssen.
Er ließ sie stundenlang mit ihren Streitkolben trainieren, er setzte Staffelläufe mit schweren Fässern an, er ließ sie mit bloßen Händen in die Takelage klettern. Sie mussten Runden um das Schiff schwimmen, wenn der Wind schwach war, und benutzten die Ruder der
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