Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
darüber gesprochen, und es klingt sogar recht einleuchtend. Seht es mal so. Die Informationen besagen, dass die Dämonen hierbleiben und dieser Dimension die Lebenskraft aussaugen wollen, solange sie können. Sie beabsichtigen keinen kurzen Beutezug, nach dem sie sofort weiterziehen. Das bedeutet, dass sie die Menschen und vor allem die Magier am Leben lassen müssen – nicht nur wegen ihrer Seelen, sondern auch, weil die Magier den Schlüssel
für das Mana besitzen. Dämonen sind Geschöpfe des Mana. Warum sollten sie das zerstören, was sie zum Leben brauchen? Sie wollen es eher erhalten, jedenfalls, wenn sie bleiben wollen. Wir wissen, dass sie Mana nach Balaia übertragen, deshalb wird es hier so kalt. In den kommenden Jahren werden die Herzen dafür sorgen, dass sich das Mana nicht verflüchtigt, und es wird den Dämonen die Grundlage ihrer Herrschaft sichern.«
»Allerdings wissen wir etwas, das sie nicht wissen, nicht wahr?«, sagte Darrick.
»Damit meinst du wohl die Erfahrungen in Julatsa«, erwiderte Darrick.
»Genau. Das wirft eine interessante Frage auf. Sollten wir nicht in Erwägung ziehen, alle Herzen zu begraben, wenn die Kollegien aufgegeben werden müssen?«
»Nein, nein, auf keinen Fall«, wandte Erienne rasch ein. »Zum einen dürfen wir nicht annehmen, dass die Magier, die noch übrig sind, auch wissen, wie man ein Herz korrekt versenkt. Noch wichtiger ist, dass uns das Begraben der Herzen Kraft kostet, die wir besser für den langen Kampf aufheben sollten. Die Herzen sind vielleicht den Dämonen nützlich, aber kaum entscheidend für ihren Erfolg. Möglicherweise müssen aber die Überlebenden später darüber nachdenken, falls die Dämonen uns doch noch besiegen. Wir wissen, dass die Herzen ohne Magier, die den Mana-Strom in Gang halten, sterben. Aber werden die Dämonen es uns glauben?«
»In die Verlegenheit, das herauszufinden, werden wir sowieso nicht kommen«, warf Hirad ein. »Entweder besiegen wir sie, oder wir sind bald alle tot.«
Der Rabe erreichte die atemberaubende Landschaft des Triverne-Sees am späten Abend. Das schwindende Licht lag auf dem Wasser, und darin spiegelte sich die außergewöhnliche Landschaft. Der Triverne-See lag geschützt
am Fuß der Blackthorne-Berge. Das mit Magie getränkte Wasser des Sees bot der Vegetation, die es an drei Seiten umgab, ideale Bedingungen. Nur das Ostufer war offen. Im Zwielicht konnten die Gefährten allerdings nicht mehr viel von den Pflanzen sehen, die unter den Bäumen wuchsen. Höher in den Vorbergen, wo sich in den kühleren Regionen nur noch widerstandsfähige Gewächse halten konnten, herrschten Moos und Heidekraut vor. Bei seinem letzten Besuch hatte Hirad die Rufe Tausender Vögel gehört. Dieses Mal war es still, und als das Beiboot knirschend am Ufer aufsetzte, war klar, dass die Schönheit besudelt war.
Thraun trottete durchs offene Gelände, als sie ausstiegen. Hirad holte die Kleidung des Gestaltwandlers und ließ den Stapel am Ufer liegen. Der Wolf trabte herbei, schnüffelte kurz daran und knurrte zufrieden. Die anderen Rabenkrieger entfernten sich ein Stück, um ihn nicht zu stören.
»Es hat hier Kämpfe gegeben«, sagte Darrick.
Der Unbekannte nickte. »So ist es.«
Der Boden war aufgewühlt, zerfurcht und verschandelt. Das Gras war platt getrampelt und tot, die Erde rissig und versengt. Überall lagen lose Brocken herum. Ein Stück rechts waren Steine wild aufgetürmt, die Überbleibsel eines Erdhammers. Überall dunkle Flecken von Blut, dazu die geschwärzten Stellen, wo Sprüche eingeschlagen waren.
»Seltsam, was?«, meinte Hirad.
Darrick stimmte ihm zu. »Man hätte doch erwarten müssen, dass wenigstens ein paar Überreste hier herumliegen, doch hier wurde alles sorgfältig gesäubert.«
»Die Dämonen sind gründlich, was?«
»Bist du sicher, dass sie es waren?«, erwiderte der Unbekannte.
»Eine Schlacht mit Sprüchen am Geburtsort der Magie«, wandte Darrick ein. »Und das vor gar nicht so langer Zeit. Ich würde sagen, Hirad hat recht.«
»Was meinst du, wie lange es her ist?«
Darrick zuckte mit den Achseln. »Schwer zu sagen. Es sieht frisch aus. Höchstens vierzig Tage. Aber ich kann nur raten.«
»Wo sind die Fährtenleser der Elfen, wenn man sie braucht?«, sagte Hirad. »He, Thraun, was meinst du?«
Der Gestaltwandler zog sich gerade das Hemd an und kam vom Beiboot herüber. Dann kniete er nieder und berührte den Boden, zerbröselte die Erde in der Hand und zerrieb das Gras zwischen
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