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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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sagte ich schließlich. Ich hatte ihn aus seinem Gepäck genommen.
    Ambiades wirbelte so rasch herum, dass das Pferd, das er gerade sattelte, sich erschrocken aufbäumte. Er ließ es an seinem Halfter zerrend zurück und lief über die Lichtung, um mir den Kamm aus der Hand zu reißen. Er holte mit der Faust aus, um mir ins Gesicht zu schlagen, aber diesmal war ich vorbereitet, und er traf mich nur an der Schulter, als ich mich wegdrehte. Dennoch warf er mich hintenüber von dem Baumstumpf, auf dem ich gesessen hatte, und ich landete dahinter im Staub. Ich landete sicher, aber ich schrie auf, dass ich mir den Arm gebrochen hätte.
    Zum zweiten Mal an diesem Morgen beugte der Magus sich über mich; diesmal blickte er besorgt drein.
    »Bist du darauf gefallen?«, fragte er und bückte sich.
    »Nein, es ist der, den er geschlagen hat«, sagte ich. »Er hat mir den Arm gebrochen«, was eine dreiste Lüge war, und als der Magus das bemerkte, schritt er angewidert davon.
    Er erklärte Ambiades so laut, dass alle es hören konnten, dass ich mir, wenn ich auf meinen Arm gefallen wäre, durchaus das Handgelenk hätte verstauchen können, und dass ich dann überhaupt nicht mehr von Nutzen für ihn gewesen wäre. »Ich dachte, das hätte ich dir eben schon klargemacht.« Er unterstrich seine nächsten Bemerkungen mit Kopfnüssen mit dem Siegelring, während ich dalag, lauschte, wie Ambiades aufschrie, und es verabscheute, wie ein Werkzeug – und sei es auch ein kostbares! – behandelt zu werden.
    Nachdem der Magus seine Strafpredigt beendet hatte, überließ er es Ambiades, die restlichen Pferde zu satteln, und ging daran, die Seife und sein Rasiermesser wieder in seine Satteltasche zu packen. Mehrfach sah ich ihn mit besorgter Miene aufschauen, aber er blickte nicht zu mir, sondern zu Ambiades hinüber. Wenn er glaubte, dass er seinem Lehrling die Gutartigkeit wieder eingeprügelt hätte, täuschte er sich; ich sah die giftigen Blicke, mit denen Ambiades ihn seinerseits bedachte.
    Als Sophos damit fertig war, sein Pferd und das von Pol zu satteln, lieh er mir seinen Kamm. Ich sagte ihm ins Gesicht, dass er viel zu nett wäre, um Herzog zu werden. Er errötete tief und zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß«, sagte er.
    Ambiades beugte sich im Vorbeireiten aus dem Sattel und knurrte: »Das weiß auch sein Vater.«
     
    So begann der Tag nicht gerade vielversprechend. Ambiades schmollte einen Großteil des Morgens über, und Sophos ritt mit hängenden Schultern; er versuchte, die Anspannung, die in der Luft lag, zu ignorieren. Ich griff dann und wann nach oben, um festzustellen, wie sehr meine Lippe geschwollen war.
    Irgendwann murmelte ich: »Man lernt täglich dazu.«
    »Was denn?«, fragte Sophos.
    »Ich lerne hoffentlich, den Mund zu halten.«
    »Meinst du, dass du nicht mehr in Schenken damit prahlen willst, dass du den Siegelring des Königs gestohlen hast?«
    »Daran habe ich nicht unbedingt gedacht«, sagte ich, »aber du kannst Gift darauf nehmen, dass ich auch das nicht mehr tun werde. Sag mal, wenn Ambiades einen so hochwohlgeborenen Großvater hatte, warum hat er dann keinen besseren Mantel?«
    Sophos vergewisserte sich, dass Ambiades noch vor dem Magus und damit außer Hörweite ritt. »Sein Großvater war Herzog von Eumen.«
    Ich musste einen Moment lang überlegen. »Der mit der Eumenischen Verschwörung?«, fragte ich dann. Auch ich sprach leise. Das gemeine Volk redete nicht laut über die Eumenische Verschwörung.
    »Nachdem er versucht hatte, die Oligarchie wieder einzuführen, und hingerichtet worden war, wurden seiner Familie ihre Ländereien und Titel aberkannt. Ich glaube, Ambiades’ Vater hat dennoch etwas Geld geerbt, aber er hat einen Großteil davon verspielt. Als Ambiades seinem Vater im letzten Winter geschrieben hat, um ihm mitzuteilen, dass er einen neuen Mantel brauchte, hat sein Vater ihm einen seiner alten geschickt.«
    »Ach«, sagte ich. »Armer Ambiades.«
    Sophos sah mich schief an.
    »Wie kann er mit hocherhobener aristokratischer Nase auf den dreckigen Pöbel herabblicken, wenn er so arm wie jeder andere ist und obendrein noch nicht einmal Land besitzt? Ich wette, er wacht jeden Morgen auf und findet es unerträglich.«
     
    Wir hielten uns von den Straßen fern. Obwohl wir viele ungepflasterte Pfade überquerten, suchten wir uns vorsichtig einen eigenen Weg zwischen den Bäumen hindurch und kamen nur langsam voran. Von Zeit zu Zeit warf der Magus einen Blick auf den Kompass, um

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