Die Leibwächterin (German Edition)
erschossen?»
«Natürlich nicht! Walentin Paskewitsch hat einen Killer auf sie angesetzt. Du erinnerst dich doch an Anitas Exfreund, die beiden haben oft im Chez Monique gegessen. Ich selbst habe auch Drohanrufe von seiner Bande bekommen. Aber die Polizei hält den Fall für gelöst, jedenfalls die russische Miliz. Der Mann von der Zentralkripo scheint zwar anderer Meinung zu sein, aber was kann der schon ausrichten? Wer kann überhaupt …»
«Setz dich mit Helena in Verbindung. Die kennt sich mit der russischen Miliz aus. Un moment, je viens …» Monikas Stimme verschwand wieder.
«Welche Helena?»
«Helena Lehmusvuo, die Abgeordnete. Sie war auch Kundin im Chez Monique. Oui oui, je viens … Entschuldige, ich muss Schluss machen, wir haben hier eine mittlere Katastrophe.»
Dann war Monika weg, und das Handy klingelte nicht noch einmal. Ich zog einen Pullover über das T-Shirt und brühte schwarzen Tee auf, der dunkler wurde als Kaffee. Dazu aß ich einen Teller Grütze und trank mit reichlich Salz und schwarzem Pfeffer gewürzten Tomatensaft, der zwar meine Lebensgeister weckte, aber den Tequilageschmack nicht wegspülte.
Helena Lehmusvuo war über das Parlament zu erreichen, doch im Moment fühlte ich mich nicht fit genug, mich mit ihr in Verbindung zu setzen. Trotzdem fragte ich bei der Auskunft nach der Telefonnummer ihrer Assistentin. Wieder vermisste ich den Internetanschluss. Ich schaltete das Handy ab und verschloss es in einer Schublade, bevor ich zum Schuppen ging, um nach etwas zu suchen, woraus ich Sprengstoff mixen könnte. Im Prinzip genügten dafür Benzin, Backpulver und Eier, aber das Gemisch würde vermutlich nur lautes Getöse erzeugen. Ich brauchte etwas, das den bruchsicheren Tresorkasten aufsprengte, ohne den Inhalt zu zerstören. Am besten dachte ich doch noch einmal über mögliche Ziffernkombinationen nach, die Anita gewählt haben konnte. Sie musste doch irgendeine Gedächtnisstütze gehabt haben.
Die Schlüssel zu Anitas Haus waren immer noch in meinem Besitz, Laitio hatte nicht danach gefragt. Wahrscheinlich hatte die Polizei die Villa schon vor meiner Vernehmung durchsucht. Aber hatten die Kriminaltechniker denselben Blick wie ich? Da das Haus nicht der Tatort war, hatte man es wahrscheinlich nicht versiegelt, und mit der Alarmanlage kannte ich mich aus. Cecilia Nuutinen-Kekki, Anitas einzige Tochter, arbeitete in Hongkong, und ich wusste nicht, wie schnell sie sich von ihren geschäftlichen Verpflichtungen freimachen und nach Finnland kommen konnte. Das Hausmädchen wohnte anderswo. Da sich in Anitas Haus einige an sich unwesentliche Sachen von mir befanden, hatte ich sogar einen halbwegs legitimen Grund, es zu betreten. Ich setzte den Abstecher auf meine Aufgabenliste.
Dann zog ich Regenkleidung an, nahm einen Korb und ein Pilzmesser mit und ging in den Wald. Trotz des Regens sammelte ich Reizker und Trompetenpfifferlinge. Auf dem Campingplatz in Hiekkamäki hielten sich noch ein paar Urlauber auf. Ich hatte nie verstanden, wieso manche Leute ihren Urlaub auf solchen Plätzen verbringen wollten, so dicht beieinander, dass jeder Familienstreit zur öffentlichen Angelegenheit wurde und alle über die Essgewohnheiten ihrer Nachbarn informiert waren. Selbst bei dem Ferienhaus hatte ich lange gezögert, bevor ich schließlich den Mietvertrag unterschrieben hatte; es war mir nicht einsam genug, doch da die Felsgrundstücke hinter dem Haus noch unbebaut waren, hatte ich vorläufig meine Ruhe.
Ich ging zum Bootsufer. Das Ruderboot, das zum Sommerhaus gehörte, war noch da, doch auf dem Boden stand das Wasser zwanzig Zentimeter hoch. Ich schöpfte es heraus. Ein Schwan glitt vorbei, ohne mich zu beachten. Vom Ufer ging ich durch den Wald zurück. Ich bemerkte den Kadaver in der kleinen Senke erst, als ich auf zwei Meter herangekommen war. Er war so frisch, dass er noch nicht roch, aber die Fliegen umsummten ihn bereits. Das Fell des toten Rehs war feucht vom Regen und von Blut, die Augen waren blicklos und leer. Noch hatte die Jagdsaison nicht begonnen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass in einer Gegend, in der so viele Sommerhäuser standen, Wilderer ihr Unwesen trieben. Das Tier lag ein gutes Stück vom Straßenrand entfernt, was jedoch nicht ausschloss, dass es angefahren worden war und sich in die Senke geflüchtet hatte, bevor es verendete. Vielleicht war es auch einfach an Altersschwäche oder an irgendeiner Krankheit gestorben.
Es gab noch eine vierte
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