Die Leiche im rosa Nachthemd
Süßen einen Anstandsbesuch
machen. Ich wette, er rückt einen Scheck raus.«
»Keine schlechte Idee«, meinte
ich. »Aber warten Sie, bis ich meinen Bericht eingereicht habe. Vielleicht ist
es dann nicht mehr nötig. Wenn er sich stur stellt, sage ich Ihnen Bescheid,
und dann können Sie selber Ihr Glück bei ihm versuchen.«
»Okay, Donald, vielen Dank.«
Wir schüttelten uns die Hände,
und ich ging.
An der Ecke war ein Drugstore.
Ich ging ans Telefon und rief im Büro an. Elsie Brand stellte mich sofort zu
Bertha durch. »Hier Donald«, sagte ich.
»Was treibst du denn?«
»Ich arbeite. Du, ich glaube,
es bahnt sich was an. Diese Harris ist Animierdame in einer Bar. Lintig hat sie
beauftragt, in Oakview Informationen über seine Frau einzuholen.«
»Sag mal, seit wann zahlst du
fremden Leuten Telegrammgebühren?«
»Wieso?«
»Da ist ein Telegramm für dich
gekommen mit dem Vermerk: Gebühr zahlt Empfänger.«
»Von wem denn?«
»Weiß ich doch nicht«, konterte
Bertha gereizt. »Ich hab’ es zurückgehen lassen. Wir sind ja schließlich kein
Wohltätigkeitsverein.«
»Welche
Telegraphengesellschaft?«
»Western Union.«
»Wie lange ist das her?«
»Zwanzig Minuten. Das Ding
dürfte inzwischen wieder in der Zentrale gelandet sein.«
»In Ordnung«, sagte ich, legte
auf und brauste zur Zentrale. Nach fünf Minuten hatten sie das Telegramm
aufgestöbert. Ich zahlte die Gebühren. Es war aus Oakview und lautete:
»Gesuchte Person hier in
Oakview Palace Hotel eingetroffen. Reist unter eigenem Namen. Lohnt es sich für
mich? Marian.«
Ich nahm einen Umschlag aus der
Tasche und kritzelte auf das Telegrammformular:
»Langsam tut sich was, Bertha.
Bin im Palace Hotel in Oakview. Informiere unseren Klienten.«
Ich klebte eine Eilbotenmarke
auf den Umschlag, steckte das Telegramm hinein und expedierte den Brief. Dann
setzte ich mich in die Firmenkutsche und wünschte zum hundertstenmal, Bertha
würde entweder einen neuen Wagen spendieren oder nur noch Fälle in der näheren
Umgebung annehmen. Außerdem fragte ich mich, warum wohl Mrs. James C. Lintig
nach einer Abwesenheit von über zwanzig Jahren plötzlich in Oakview auftauchte
und sich im Palace unter ihrem eigenen Namen einquartierte. Ob wohl
meine Anzeige in der Stimme etwas
damit zu tun hatte? In diesem Fall konnte Mrs. Lintig sich gar nicht so sehr
weit von Oakview entfernt aufgehalten haben. Der Fall versprach interessant zu
werden.
3
In einem kümmerlichen Motel
legte ich mich ein paar Stunden aufs Ohr. Donnerstag früh kam ich in Oakview an
und frühstückte im Hotel. Es war ein besonders schauderhaftes Frühstück. Ich
goß den letzten Schluck kalten Kaffee herunter und ging in die Halle.
»Ach, guten Tag, Mr. Lam«,
sagte der Empfangschef liebenswürdig. »Ihr Koffer ist noch hier bei uns. Sie
sind so plötzlich abgereist. Wir — äh — wir hatten uns direkt Sorgen gemacht.«
»Das wäre nicht nötig gewesen.
Dann werde ich erst mal meine Rechnung zahlen.«
Während ich ihm ein paar
Scheine auf den Tisch blätterte, musterte er mein blaues Auge. »Unfall?« fragte
er.
»Nein. Ich hab’ heute nacht von
einer duften Puppe geträumt. Aber sie hatte leider schon einen Freund.«
»Hahaha«, sagte er matt und
schob mir eine Quittung und mein Wechselgeld hin.
»Ist Mrs. Lintig schon auf?«
fragte ich.
»Ich glaube nicht. Ich habe sie
jedenfalls noch nicht gesehen.«
Ich dankte ihm und lenkte meine
Schritte zu den Redaktionsräumen der Stimme. Marian Dunton erschien im Büro.
»Tag, Donald! Wie finden Sie...
Meine Güte, was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Blau ist jetzt modern«, erklärte
ich. »Ich hab’ versucht, die fünfundzwanzig Dollar zu bekommen. Aber es hat
nicht geklappt. Was will sie hier?«
»Anscheinend nur alte Bekannte
besuchen. Ich habe Sie gewarnt.«
»Komisch, daß sie nach so
langer Zeit plötzlich Sehnsucht nach der alten Heimat hat. Noch komischer, daß
sie in einem Hotel absteigt, wenn sie Freunde besuchen will. Wie sieht sie
aus?«
»Sie soll recht alt geworden
sein. Mrs. Purdy, die Mutter von einem ihrer alten Bekannten, hat sie gesehen
und sagt, sie sieht schrecklich aus. Ihr Haar ist weiß geworden, und sie hat
sehr zugenommen. Mrs. Purdy hat sie erzählt, daß sie keine glückliche Minute
hatte, seit Dr. Lintig sie sitzenließ.«
»Es ist immerhin einundzwanzig
Jahre her«, meinte ich.
»Ja — eine lange Zeit, wenn man
unglücklich ist...«
»Das ist auch wieder wahr.
Übrigens
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