Die Leiche im rosa Nachthemd
Schließlich bist du nach oben gegangen, hast ein paar dumme
Fragen gestellt und bist wieder abgezogen. Daß etwas vorgefallen war, wußtest
du also. Du wolltest jetzt nur noch feststellen, ob die Polizei auch schon
informiert war. Willst du mir nicht erzählen, was sich hier tut?«
»Da gibt’s nichts zu erzählen.«
Bertha Cool öffnete ein
Schreibtischfach, nahm eine Karte heraus, sah auf die Nummer, die darauf
vermerkt war, griff zum Telefon, wählte und sagte mit ihrer süßesten Stimme:
»Donald Lam wohnt bei Ihnen, Mrs. Eldridge. Hier ist Mrs. Cool, seine
Partnerin. Ich muß ihn dringend sprechen. Wissen Sie, ob er in seinem Zimmer
ist?«
Sie horchte aufmerksam auf die
krächzenden Laute aus dem Hörer. »Aha«, sagte sie. »Vor einer Stunde, sagen
Sie? Können Sir mir sagen, ob kurz vorher jemand bei ihm war?« Wieder horchte
sie. Dann: »Ja, ich verstehe. Wie sah sie aus?«
Bertha Cool hörte mit halb
geschlossenen Augen zu. Ab und an warf sie mir aus mißtrauischen grauen Augen
einen scharfen Blick zu. »Vielen herzlichen Dank, Mrs. Eldridge. Wenn er kommt,
sagen Sie ihm doch bitte, er möchte sich bei mir melden.«
Sie schob das Telefon weg. »Wer
war das Mädchen, Donald?«
»Wer?«
»Das Mädchen, das dich besucht
hat.«
»Eine ehemalige Schulkameradin.
Ich hab’ sie eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Sie wußte, daß ich dein Partner
bin, und hatte heute nachmittag im Büro angerufen. Elsie hat ihr meine Adresse
gegeben.«
Bertha Cool rauchte eine Weile
stumm. Dann trat wieder das Telefon in Aktion. »Elsie, hier ist Bertha. Hat
heute nachmittag jemand angerufen und Donalds Adresse verlangt? Wer war sie?
Hat sie ihren Namen genannt? Ach, hat er? Gut, Elsie, vielen Dank. Das war’s.«
Bertha legte auf. »Elsie hast
du gesagt, sie wäre nicht bei dir gewesen.«
»Elsie Brand geht mein Liebesleben
überhaupt nichts an. Sie kam auf eine halbe Stunde bei mir vorbei, und wir
haben geschwatzt. In allen Ehren natürlich...«
»Soso«, meinte Bertha grimmig.
Ich schwieg.
Bertha Cool hielt sich an ihrer
Zigarette fest. Dann hatte sie sich offenbar zu einem Entschluß durchgerungen.
»Jetzt gehen wir erst mal was essen. Aber diesmal zahlt jeder für sich.«
»Ich habe keinen Hunger.«
Sie lächelte. »Ich habe heute
meinen spendablen Tag, Donald. Setzen wir’s auf die Spesenrechnung.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich
möchte nichts.«
»Dann komm wenigstens mit und
leiste mir Gesellschaft.«
»Vielen Dank. Ich bleibe lieber
hier. Muß nachdenken.«
»Kannst du das nicht auch im
Restaurant?«
»Nein. Hier habe ich mehr
Ruhe.«
»Aha.« Bertha Cool war heute
offensichtlich in Telefonierstimmung. »Hier ist B. Cool. Schicken Sie mir ein
Klubsandwich und eine Flasche Bier herauf.« Sie legte auf. »Schade, daß du
keinen Appetit hast, Donald. Dann bleibe ich eben hier und leiste dir
Gesellschaft.«
Darauf gab es nichts zu sagen.
Wir hockten schweigend beieinander.
Bertha betrachtete mich aus halbgeschlossenen Augen und rauchte. Nach einer
Weile klopfte es. »Das ist der Bote vom Restaurant«, sagte Bertha. »Mach doch
bitte auf.«
Er brachte ein Tablett mit dem
Klubsandwich und dem Bier, Bertha ließ sich das opulente Mahl auf den
Schreibtisch stellen, zahlte und gab ihm ein Trinkgeld. »Das Geschirr können
Sie morgen früh abholen. Wir haben heute abend noch hier zu tun.«
Der Bote zog unter devoten
Dankesbezeigungen ab. Bertha kaute ihr Sandwich, spülte ab und zu mit einem
Schluck Bier nach und meinte: »Ein ziemlich klägliches Essen. Aber irgendwas
muß man ja dem Magen anbieten. Pech, daß du keinen Hunger hattest.«
Nachdem sie ihre nächste
Zigarette angezündet hatte, sah ich wie zufällig auf die Uhr. »Tja«, meinte ich,
»ich glaube, es hat keinen Zweck, noch länger zu warten.«
Bertha strahlte mich
wohlwollend an. »Sehr richtig. Mal mußt du ja doch mit der Sprache
herausrücken. Warum hat sie dich versetzt?«
»Wir wollten uns zum Essen
treffen. Kann man denn nicht mal mit einer Freundin ausgehen, ohne daß das
ganze Büro seinen Senf dazugibt?«
»Offenbar nicht«, meinte Bertha
Cool ungerührt. »Wenn du meinst, können wir ja dann gehen.«
Wir stiegen wieder in die
Firmenkutsche. »Ich werde den angebrochenen Abend mit einem Kinobesuch
totschlagen«, sagte ich. »Kommst du mit?«
»Nein, mein Kleiner. Ich bin
müde. Ich fahre jetzt nach Hause, lege mich aufs Bett und lese noch ein
bißchen.«
Ich fuhr sie zu ihrer Wohnung.
Sie legte mir ihre beringte Hand auf den
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