Die Leiche im rosa Nachthemd
Evaline sie in dieser Situation nicht gerade
herzlich empfangen würde. Daher machte sie leise die Tür wieder zu und setzte
sich in ihren Wagen vor der Haustür. Nach einer halben Stunde versuchte sie es
noch einmal. Diesmal faßte sie sich ein Herz und ging näher heran. Sie stellte
fest, daß Evaline Harris eine Schlinge um den Hals hatte und mausetot war.
Marian verlor den Kopf. Ihr fiel nichts Gescheiteres ein, als zu mir zu fahren
und mir ihr Herz auszuschütten. Ich schickte sie zur Polizei und schärfte ihr
ein, sie sollte weder mich noch die Detektei oder Mrs. Lintig erwähnen, sondern
sagen, sie hätte Evaline bitten wollen, ihr bei der Stellungsuche in Los
Angeles zu helfen. Beim ersten Besuch hätte sie gedacht, Evaline schliefe.
Deshalb hätte sie draußen in ihrem Wagen gewartet und es nach einer halben
Stunde noch einmal versucht.«
»Na, ob sie damit
durchkommt...«, meinte Bertha Cool.
»Ich glaube schon.«
»Weshalb?«
»Sie kommt aus der Provinz —
ein nettes, patentes Mädchen, hat keine Ahnung von den Tricks und Winkelzügen, die
die Polizei von ihren Großstadtzeugen gewöhnt ist.«
Bertha Cool seufzte. »Daß du
bei jedem weiblichen Wesen schwach wirst - das ist dein großes Handikap bei der
Detektivarbeit, Kleiner. Daß du dich hei einer Keilerei nicht behaupten kannst,
ist schlimm genug, aber daß die Weiber dir so leicht Sand in die Augen streuen
können, ist noch zehnmal schlimmer. Wenn du dir das abgewöhnst, kannst du noch
weit kommen. Schlau genug bist du ja.«
»Sonst noch was?« fragte ich.
Bertha Cool lächelte. »Nun sei
nicht gleich eingeschnappt, Donald. Schließlich geht’s hier ums Geschäft.«
»Vielleicht läßt du mich jetzt
zu Ende erzählen«, sagte ich. »Marian hat sich den Mann, der aus dem Apartment
kam, ziemlich genau angesehen. Der Polizei wird ihre Beschreibung nichts sagen
— das hoffe ich jedenfalls —, aber bei mir ist der Groschen gleich gefallen.«
»Was soll das heißen?«
»Der Mann, der aus dem
Apartment kam«, sagte ich, »war Dr. Charles Loring Alfmont, früher bekannt
unter dem Namen Dr. James G. Lintig und uns als Mr. Smith lieb — vor allem
teuer.«
Bertha Cool starrte mich aus
runden und endlich einmal ziemlich fassungslosen Augen an. »Da brat mir aber
einer ‘nen Storch«, flüsterte sie.
Ȇber den Fall Lintig-Alfmont
weiß die Polizei nichts«, fuhr ich fort. »Es wird also kaum von vornherein
Verdacht auf einen gewissen Smith fallen. Aber wenn Marian Dunton ihn oder auch
nur ein Bild von ihm sieht, wird sie ihn sofort identifizieren.«
Bertha Cool stieß einen leisen
Pfiff aus.
»Deshalb gibt es für uns zwei
Möglichkeiten«, sagte ich. »Wir können sie laufenlassen — in diesem Falle wird
früher oder später die Polizei auf Smith stoßen und ihn Marian Dunton
gegenüberstellen. Dann haben wir den Salat und sind unseren Klienten los. Oder
wir können Marian soweit wie möglich aus dem Verkehr ziehen, Smith beibringen,
was wir wissen, ihn zwingen, Farbe zu bekennen, und ihm klarmachen, daß nur wir
ihn vor einer Mordanklage bewahren können. Dann wird er uns vermutlich
unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, und wir können uns daranmachen,
den ganzen Schlamassel aufzuklären.«
»Bedeutet das nicht eine
Unterschlagung von Beweismaterial?«
»Ja.«
»Für eine Privatdetektei ist
das ein schwerer Vorwurf. Das kann uns die Lizenz kosten.«
»Wenn du nichts davon weißt,
können sie dich nicht zur Verantwortung ziehen.«
»Aber ich weiß doch jetzt
davon.«
»Eben! Du wolltest ja unbedingt
ein Stück von dem Kuchen abhaben. Marian ist auf dem Weg zu uns. Du weißt
jetzt, wie der Hase läuft. Jetzt bist du dran.«
Bertha Cool schob ihren Stuhl
zurück. »Ich glaube, Donald, ich mache mich wohl lieber aus dem Staub.«
»Das machst du lieber nicht«,
sagte ich. »Du bist ans Telefon gegangen und hast sie aufgefordert herzukommen.
Das hätte ich nicht gemacht. Ich hätte ein Treffen irgendwo in der Stadt mit
ihr vereinbart. Wahrscheinlich läßt die Polizei sie beobachten.«
Bertha Cool begann, mit ihren
dicken beringten Fingern auf die Schreibtischplatte zu trommeln. »Eine schöne
Pleite.«
»In die hast du uns
hineingeritten.«
»Tut mir wirklich leid,
Donald.«
»Dafür kann ich mir auch nichts
kaufen.«
»Hör mal, kannst du nicht...«
»Nein, ich kann nicht. Ohne
dein Wissen hätte ich so weiterwursteln können, wie ich es für richtig halte.
Ich hätte mich dumm stellen können, und sie hätten
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