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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr
Autoren: Jason Dark
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unten.
    Der Doppelzeiger spießte sie auf!
    Vangard hatte Mühe, einen Schrei zu unterdrücken. Er hatte seine Hand gegen die Lippen gepreßt. So schaute er zu, wie der Körper langsam an der Spitze herab nach unten sank und Lizzy wieder anfing zu kichern.
    Einen Moment später drehte sie sich um. Sie kletterte über eine Treppe oder eine Leiter hinter der Uhr hoch, damit auch sie das Zifferblatt erreichte.
    An einer bestimmten Stelle blieb sie stehen und schaute nach vorn. Ihr Blick war direkt auf Jules gerichtet. Ob sie ihn sah oder nicht, wußte er nicht. Jedenfalls glotzte sie ihn an. Ja, es war ein Glotzen, denn er sah die schrecklichen blutverschmierten Augen. Dann kippte sie vor.
    Einen Moment später drangen die beiden Zeiger durch ihren Körper hindurch. Ihr Gewicht hielt ihn nicht mehr an derselben Stelle, und er drehte sich nach rechts. Lizzy rutschte dabei tiefer. Blut quoll aus den Wunden, aber sie lachte und streckte Vangard die Hand entgegen.
    Plötzlich schwamm er weg.
    Alles in seiner Umgebung veränderte sich. Die Umrisse verschwanden, Konturen lösten sich auf. Es kam ihm vor, als hätte ein Nebel blitzschnell zugeschlagen.
    Er drehte sich um.
    Angst durchflutete ihn, als er sah, wo er sich befand. Er war nicht mehr in diesem verdammten Kabinett, sondern hinausgetragen worden. Doch wohin?
    Jules Vangard konnte keine Antwort geben, er sah das brennende Kreuz, spürte den heißen Wind im Gesicht und sah die vermummten Gestalten in ihren weißen Gewändern, und da wußte er, ohne es richtig zu begreifen, daß er in der Vergangenheit gelandet war.
    In den Südstaaten und damit in den Fängen des Ku-Klux-Klan!
    ***
    Der Tritt traf mich in Höhe der Hüfte, und durch diesen Stoß erwachte ich.
    Es war kein gutes Erwachen, mehr ein dumpfes Hervordringen aus einer zähen Masse. Ich wollte mich trotzdem zur Seite rollen, um Licht zu machen, da fiel mir ein – nicht erst, als ich gegen den Körper meines Nebenmanns gestoßen war, daß ich nicht in meinem Bett lag. Es roch nach Männerschweiß und alten Kleidungsstücken.
    In meinem Kopf ging es nicht eben ruhig zu. Hummeln schienen dort ihr Nest aufgeschlagen zu haben. Ich setzte mich trotzdem hin und streckte die Arme aus, um mich geschmeidig zu machen. Nur mit Mühe erreichte ich meine Zehen, die vom Stoff der dicken Socken bedeckt waren.
    Den Tritt hatte ich unabsichtlich bekommen, denn der Mann neben mir schlief ziemlich unruhig. Zudem schnarchte er. Zusätzlich wehte aus seinem Mund eine Alkoholfahne, die sich mit dem säuerlichen Schweißgeruch vermischte.
    Ich dachte daran, einen Fehler gemacht zu haben, als ich an den letzten Abend zurückdachte. Tom hatte mich von seinem Spezialschnaps probieren lassen, nur zwei Schlucke, aber die hatten mich irgendwie umgehauen, deshalb auch der dumpfe Schädel.
    Ich fror und hätte mich gern wieder unter der Decke verkrochen, doch darauf verzichtete ich. Dieses Erwachen nahm ich als Wink des Schicksals hin, schaute auf meine Uhr und stellte fest, daß es drei Minuten nach Mitternacht war.
    Ich hatte vielleicht zwei Stunden geschlafen. Hinlegen wollte ich mich nicht mehr. Es war genau die Zeit, um einen kleinen Rundgang zu unternehmen.
    Mein Plan ging auf.
    Nicht eben als feiner Herr war ich dort aufgetaucht, wo der Zirkus Baresi sein Winterquartier aufgeschlagen hatte. Daß die Aktion auf tönernen Füßen stand, wußte ich selbst, doch ich hatte mich auf mein Glück verlassen und richtig gesetzt.
    Der Direktor selbst war mir über den Weg gelaufen und hatte mich
    ›eingestellt‹. Mich, den Stromer Sinclair. Den Herumtreiber, den Lebenskünstler, wie ich ihm versichert hatte. Ich brauchte nur ein Dach über dem Kopf und wollte dafür arbeiten.
    Es gab kaum Arbeit. Zudem hatten sie Tom als Helfer. Zum Glück war ein Girl namens Lizzy erschienen und hatte auf Baresi eingeredet.
    Schließlich hatte der Direktor zugestimmt und mir zunächst erklärt, daß er mir keinen Penny zahlen könnte.
    Das war nicht weiter tragisch. Eine Schlafstatt konnte er mir geben, auch eine warme Mahlzeit am Tag, doch dafür mußte ich arbeiten. Reinigung der Maschinen, Entrosten irgendwelcher Metallteile, das Putzen der Käfige, denn es gab noch einige Tiere, die zusammen mit den Menschen an diesem Platz überwinterten. Die anderen waren leihweise bei befreundeten Unternehmen abgestellt worden.
    Einen Schlafplatz hatte man mir auch zugewiesen. Ich lag zusammen mit Tom in der Kassenbude des Autoskooters. Das war zwar nicht bequem, auch
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