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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr
Autoren: Jason Dark
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Durstlöscher verlassen. Irgendein Zeug, das in einer Feldflasche schwappte und entfernt nach Rotwein roch. Der Regen fiel als feiner Sprüh aus den tiefhängenden Wolken und sah aus wie ein nie abreißender Vorhang.
    Unter dem Dach des Skooters waren wir geschützt.
    »Willst du eine Scheibe?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Danke, Tom, aber mir hat eine gereicht. Das Zeug schmeckte wie aufgeweichte Pappe.«
    Er lachte. »Was willst du? Damit werden auch die Tiere gefüttert.«
    »Toll.«
    »Wieso?«
    »Was die nicht nehmen, das bekommen wir dann.« Er wollte sich ausschütten vor Lachen und schlug sich gleich mehrmals auf die Schenkel. Ich blieb bei meinem Kaffee und schenkte mir die dritte Tasse voll.
    Tom war ein Gemütsmensch. Ob man ihn als einen Alkoholiker einstufen sollte, war fraglich. Für mich zählte er zu der Sorte von Genußtrinkern, leider schon am frühen Morgen. Wer ihn sah, konnte Angst bekommen.
    Groß, breit, ein Bär von Mann mit kantigen Schultern, einem Specknacken und mächtigen Armen. Aber auch mit viel Fett, denn auf seinen Bauch war er ebenso stolz wie auf das Gestrüpp in seinem Gesicht, das sich Vollbart nannte. Der Mund war darin kaum auszumachen. Ich brauchte nur dem Geruch der Fahne zu folgen, um herauszufinden, wo sich seine Lippen befanden.
    »Irgendwie ist es komisch«, quetschte Tom hervor.
    »Was denn?«
    Er kratzte durch sein strähniges Haar auf der Kopfhaut herum. »Daß sich der Chef noch nicht hat blicken lassen. Um diese Zeit läuft er bereits zur Höchstform auf.«
    »Ach ja…«
    Tom nahm meine Bemerkung zum Anlaß, wieder zu sprechen. Genau das hatte ich auch gewollt. »Ja, John, so war es noch nie. Oder nur einmal in der Zeit, in der ich hier bin.« Er krümelte einen Popel aus der Nase und schnippte ihn weg. »Ist ein echt starkes Stück. Hätte ich einen Kalender, müßte ich den Tag rot anstreichen.«
    »Das hat bestimmt einen Grund«, gab ich ihm recht.
    »Und ob.«
    Ich hob die Schultern. »Aberweichen?«
    »Keine Ahnung.« Tom stocherte jetzt zwischen seinen Zähnen herum.
    »Ist auch zu ruhig hier. Schau mal über den Platz. Siehst du irgendwelche Leute, die etwas tun?«
    »Keiner arbeitet im Freien. Kann am Wetter liegen.«
    »Nie und nimmer. Es gibt hier einiges am Skooter zu tun. Da muß ein Teil des Bodens ausgewechselt werden. Ist eine Sauarbeit, die Platten zu lösen. Heute morgen sollte damit angefangen werden. Wir beide hätten uns totgeschuftet, aber keiner treibt uns. Das ist sehr ungewöhnlich. Mir soll es recht sein.«
    »Mir auch.«
    Er schluckte den Wein, ohne daß sich sein Adamsapfel bewegt hätte. Im Trinken war er wirklich ein Könner. Dann zog er die Nase hoch und spie noch aus. »Von allein fange ich nicht an, das habe ich noch nie getan. Mich muß man immer zur Arbeit treiben. Wenn ich einmal dran bin, dann kenne ich keine Verwandten mehr, Kumpel.« Er schlug mir auf die Schulter. »Auch keine Freunde, das wirst du noch merken. Wenn du nicht schnell genug bist, mußt du dich leider verabschieden.«
    »Mal sehen.«
    Er ließ mich erst die Tasse leeren, dann wollte er meine Hände sehen.
    »Die Hände?«
    »Ja, zeig sie her.«
    »Bitte.« Ich hielt sie ihm hin.
    Tom besah sie sich genau. Ich mußte sie drehen und wenden.
    Schließlich hatte er genug gesehen und schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht das Wahre.«
    »Wie meinst du?«
    »Das sind keine Malocherhände. Die sehen zwar ziemlich kräftig aus, aber viel gearbeitet hast du in deinem Leben noch nicht. Sag jetzt nicht, daß ich lüge, ich kenne mich da aus.«
    »Stimmt. Die Arbeit und ich sind noch nie große Freunde gewesen. Außerdem bin ich noch nicht lange auf der Straße. Das heißt, ich bin es eigentlich überhaupt nicht. Ich treibe mich eben herum. Zwei bis drei Jahre habe ich mir vorgenommen. Außerdem möchte ich mich nicht unbedingt erwischen lassen.«
    »Die Bullen?«
    »Nein, meine Alte.«
    Er gab ein lautes Ha! von sich. »Immer die Weiber, John. Ich sage es dir, und ich kann es nur ständig wiederholen. Die Weiber sind noch unser Untergang. Die machen dich fertig, die nehmen dich aus, die sind die größten Blutsauger, die es gibt. Kenne das, habe selbst mal in einem ehelichen Knast gesessen.«
    »Dann brauche ich dir ja nichts zu erzählen.«
    »Da hast du recht. Und nach zwei Jahren willst du wieder spießig werden?«
    »Ich hoffe es.«
    Er winkte ab. »Das ist nicht gut, John, das ist überhaupt nicht gut, sage ich dir.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil du meist die Kurve
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