Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)
angemessene Bestrafung für den Nachmittag, als du ihnen entwischt bist.»
«Oje.» Es tat ihr leid, dass die drei Männer für ihre Missetat zu büßen hatten.
«Aber vergiss sie, Angelica.» Sein Blick schweifte durch den Raum. «Hast du auch alles, was du eventuell brauchen könntest? Wie gesagt, es wäre im Moment unklug, wenn du diese Räume aus irgendeinem Grund verlassen würdest.»
«Ja, ich denke, ich habe alles.» Sie zeigte mit einer Hand auf die Regale. «Wie freundlich von dir, mir so viele Bücher zur Verfügung zu stellen.»
«Die meisten waren bereits hier.» Semjon trat an die Regale und betrachtete die Bücherrücken. «Eine interessante Sammlung. Romane. Lyrik. Eine nicht unerhebliche Anzahl von gebundenen Abhandlungen der Wissenschaft und der Anthropologie und dergleichen. Einer meiner Gefährten hat gerade ein eigenes Buch über die Geschichte unseres Klans zu Papier gebracht.»
Angelica warf ihm einen interessierten Blick zu. «Das sollte ich lesen. Hast du es schon gelesen?»
«Noch nicht. Ich warte auf die Besprechungen, damit ich so tun kann, als hätte ich es gelesen.» Er grinste. «Ich fürchte, du würdest darüber einschlafen.»
«Ich glaube, du magst mich, wenn ich schlafe», sagte sie frech.
«Du bist en déshabille besonders verführerisch, und das weißt du nur allzu gut. Geschlossene Augen und geöffnete Lippen. Die Art, wie dein Haar sich über ein Kissen ergießt …» Er atmete tief ein, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen, und wandte sich dann erneut den Bücherregalen zu. «Wo war ich bei meiner Aufzählung? Du lenkst mich viel zu sehr ab. Ach ja.» Er blickte mürrisch auf die Bücher, so als wären sie der Grund für sein Unwohlsein. «Da hätten wir noch eine ganze Reihe von Enzyklopädien und das ausgezeichnete Wörterbuch von Dr. Johnson. Naturgeschichte. Reiseberichte.»
Angelica stellte sich neben ihn und nahm einen Band aus dem Regal. «Bei dieser Auswahl werde ich bestimmt nicht den Wunsch verspüren umherzustreifen.» Sie schlug das Buch auf und blätterte durch die Seiten. «Ah. Dieses Werk handelt von Kanada. Ein Land, dessen Karte zum größten Teil aus weißen Flecken besteht. Worüber konnte der Autor da wohl noch schreiben?»
«Wälder. Reisende. Biberfallen.»
Angelica klappte das Buch zu und stellte es wieder weg. «Stell dir vor, ich hatte tatsächlich darüber nachgedacht, aus London zu flüchten und mit dem Schiff dorthin zu reisen. Oder zu den amerikanischen Kolonien.»
«Aus welchem Grund denn bloß?», fragte er erstaunt.
«Ich hatte doch keine Ahnung, ob der Mann, der mich entführt hatte, nicht zurückkehren würde. Und es schien mir nicht recht, von einem galanten Fremden zu erwarten, auch noch ein zweites Mal sein Leben für mich zu riskieren.»
Er warf ihr ein bitteres Lächeln zu. «Ich danke dir. Aber ich sehe dich einfach nicht in einem Kanu. Und schon gar nicht in einer Holzhütte.»
«Nun, dann hast du mich auch noch vor diesem Schicksal gerettet», meinte sie lachend.
Er legte den Arm um sie und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. «Wie schön, dich lachen zu hören. Bleib so fröhlich, Angelica. Und jetzt muss ich gehen.»
Sie konnte sich ein Schmollen nicht verkneifen. Doch als sein Mund sich auf den ihren legte, verschwand es sofort. Und nachdem seine Lippen sich von ihr gelöst hatten, war sie ganz außer Atem.
«Ich werde heute Nacht zu dir kommen», versprach er mit sanfter Stimme und strich ihr dabei über die Wange. «Deine Mahlzeiten wird man dir zur üblichen Zeit bringen. Es könnte sein, dass du Natalja kennenlernst. Sie herrscht über unsere Küche. Es könnte aber auch sein, dass sie jemand anderen mit einem Tablett vorbeischickt.»
«Wie du wünschst.»
Semjon hörte die Enttäuschung in ihrer Stimme. «Für den Moment ist es am besten, wenn du ein wenig für dich bist, meine Liebe. Du findest hier auch Bleistifte und Papier und Schreibfedern und Wasserfarben.»
«Dann werde ich dir eine neue Tapete malen.» Sie zeigte mit einem Nicken auf die bedruckten Bahnen an den Wänden. «Die hier ist recht unruhig. Eine Blume soll das sein, nicht wahr? Wie sich das Bild wiederholt und wiederholt. Wenn ich zu lange hinschaue, wird mir sicher recht schwindelig werden.»
«Ich bin nicht sicher. Es ist entweder eine Blume oder ein Pfotenabdruck. Entscheide selbst.»
Sie blickte erneut an die Wand. «Eine Papayablume vielleicht?»
«Ah, genau das ist es. Es handelt sich um eine Papayablüte. Das ist eine
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