Die Lennox-Falle - Roman
einmal gesagt, und das kaufe ich Ihnen nicht ab. Ehe Sie hier in der Botschaft weiter Karriere machen, ganz besonders in D und R, sollten Sie sich dazu äußern.«
»Sie glauben mir kein Wort -«
»Ich glaube all die Äußerlichkeiten, das was Witkowski mir bestätigt hat, aber darüber hinaus bin ich recht skeptisch.«
»Dann können Sie sich meinetwegen zum Teufel scheren, Monsieur.« Karin de Vries wollte gerade aufstehen, als der angeheiterte Kellner wieder auftauchte.
»Ist hier jemand namens Le Noce?« fragte er.
» Lennox? Ja, das bin ich.«
»Da ist ein Anruf für Sie. Das kostet zusätzlich dreißig Francs.« Der Kellner entfernte sich wieder.
»Bleiben Sie hier«, sagte Drew zu Karin de Vries. »Ich habe der Fernmeldezentrale gesagt, wo ich sein würde.«
»Warum soll ich bleiben?«
»Weil ich es möchte, ich möchte es wirklich.« Lennox stand auf und ging mit schnellen Schritten zu dem uralten Telefon am Ende der verlassenen Bar. Er hob den Hörer auf, der in einer Weinpfütze lag, und meldete sich: »Hier Lennox.«
»Hier Durbane«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ich verbinde dich jetzt mit Direktor Sorenson in Washington. Beide Seiten klar. Sprechen bitte.«
» Drew? «
»Ja, Sir -«
»Es ist passiert! Wir haben gerade von Harry gehört. Er lebt!«
»Wo?«
»Soweit wir das in Erfahrung bringen konnten, irgendwo im Tauerngebirge. Ein Anruf kam von den Neonazi-Gegnern in Obernberg durch. Sie sagten, sie würden sich um seine Flucht bemühen, und wir sollten unsere sicheren Leitungen an der österreichischen Grenze offenhalten. Sie haben es abgelehnt, sich zu identifizieren, aber nach dem, was sie wissen, müssen sie echt sein.«
»Gott sei Dank!« rief Lennox erleichtert.
»Seien Sie nicht zu zuversichtlich. Der Mann hat gesagt, Harry müßte beinahe zwölf Meilen verschneites Bergland durchqueren, ehe sie an ihn rankämen.«
»Sie kennen Harry nicht. Der schafft es. Ich mag vielleicht stärker sein, aber er war immer zäher.«
»Wovon reden Sie da?«
»Schon gut. Ich werde in die Botschaft zurückkehren und warten.« Lennox legte den Hörer auf und ging zum Tisch zurück.
Karin de Vries war verschwunden.
5
D ie lange Reihe in dicke Winterkleidung eingehüllter Gestalten stapfte in den immer länger werdenden Abendschatten über den Bergweg, die Scheinwerferbündel der zwei schweren Raupenfahrzeuge und die Taschenlampen der Wachen lieferten die einzige Beleuchtung. Harry Lennox sprang von dem Fahrzeug herunter, und seine Kopfschmerzen wurden in dem Maß schwächer, wie sie sich der Brücke über die Schlucht näherten, in der tief unten ein kleiner Nebenfluß der Ziller strömte. Er konnte es schaffen! Sobald er die schmale Brücke hinter sich hatte, würde er sich zurechtfinden; er hatte sich die Route und all die Markierungen, die er angebracht hatte, gut gemerkt, hatte sie sich während seines sogenannten Krankenhausaufenthalts tausende Male ins Gedächtnis zurückgerufen. Aber auf dem Raupenfahrzeug, auf dem er sich versteckt hatte, hatte er nicht bleiben können, weil die Fahrzeuge durchsucht und jedes Gerät mit einer Liste verglichen wurde. Stattdessen hatte er sich der Gruppe der Sonnenkinder anschließen müssen, die blindlings, patriotische Marschlieder singend, ihrer unsicheren Zukunft in ganz Deutschland, ja sogar Europa entgegenmarschierte. Harry sang laut mit, was ihm gelegentlich ein Grinsen und anerkennende Blicke seiner Marschgenossen eintrug, als sie die Brücke überquerten.
Und dann war der Augenblick da! Die Gruppe marschierte nach rechts ins Schneegestöber hinein, und Harry duckte sich weg und hastete davon. Ein aufmerksamer Wachmann sah ihn und hob seine Pistole.
» Nicht! « sagte der Anführer der Gruppe und drückte dem Soldaten die Waffe herunter. » Ist schon in Ordnung! «
Der Mann, der in Geheimdienstkreisen die Decknamen Sting trug, trottete durch den knietiefen Schnee, voll Hoffnung bald die Markierungen zu entdecken, die er Wochen zuvor angebracht hatte, als man ihn in das verborgene Tal gebracht hatte. Da war es! Zwei abgebrochene Zweige an einem jungen Baum
auf der linken Seite, und jetzt würde gleich auf der rechten Seite eine Markierung folgen und eine schräge Linie nach unten bilden … dreihundert Meter weiter, sein Gesicht brannte inzwischen von der Anstrengung. Und dann sah er es! Der Ast einer Bergtanne, den er abgeknickt hatte, hing immer noch herunter, saftlos und leer. Die Bergstraße zwischen den zwei Dörfern war
Weitere Kostenlose Bücher