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Die Lennox-Falle - Roman

Die Lennox-Falle - Roman

Titel: Die Lennox-Falle - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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auf die posthumen Ehrungen, die einem zuteil wurden, wenn man in Ausübung seiner Pflicht gestorben war, legte er nicht den geringsten Wert. Für ihn gab es jetzt keinen Zweifel mehr, daß das Nazikrebsgeschwür sich in Deutschland und auch außerhalb wieder auszubreiten begann. Und wer wußte schon, wo noch? Wie gut organisiert waren diese Leute? Harrys Liste ließ das Schlimmste befürchten, und Karin de Vries hatte gesagt, daß die Bruderschaft sich Zugang zu den geheimsten Computern der Agency beschafft und sich auf die Weise Informationen über die Operation Sting besorgt hatte - das deutete ganz klar darauf hin, daß der Feind auch in Washington insgeheim präsent war. Herrgott, er hatte Villier gegenüber erwähnt, daß sich die Nazis überall ausbreiteten, aber das war mehr aus rhetorischen Gründen geschehen. Er wollte damit bloß das Interesse des Schauspielers wecken, weil ihm Villiers Vergangenheit suspekt war, die Verbindung mit Jodelle und alles, was sie mit sich brachte, und die verschwundenen Verhörakten. Als Villier seinen Argwohn bestätigte, hatte ihn das zugleich erfreut und erschreckt. Erfreut, weil er richtig getippt hatte, und erschreckt, weil sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten.
    Der Empfangschef kam an seinen Tisch zurück und reichte ihm das schnurlose Telefon. In Washington war es gerade erst sieben Uhr morgens, und Drew Lennox brauchte den Rat des Direktors von Consular Operations, noch bevor dessen Arbeitstag begann.
    »Drücken Sie einfach den Knopf, auf dem Parlez steht und wählen Sie, Monsieur«, sagte der Mann. »Falls Sie weitere Gespräche führen müssen, drücken Sie auf Finis , und dann noch einmal Parlez und wählen Sie dann erneut.« Er drehte sich um und ging weg. Lennox drückte den Knopf, auf dem Parlez stand, wählte und gleich darauf meldete sich eine schon sehr wach klingende Stimme.
    »Ja?«
    »Hier spricht Paris -«
    »Ich habe Ihren Anruf schon erwartet«, fiel Sorenson ihm ins Wort. »Ist Harry eingetroffen? Sie können offen sprechen, die Leitung ist sicher.«

    »Er kommt frühestens morgen.«
    »Verdammt!«
    »Sie wissen also Bescheid? Ich meine, über die Informationen, die er mitgebracht hat.«
    »Ja, aber mich überrascht, daß Sie es wissen. Ob Bruder oder nicht, Harry ist nicht der Typ, der so freigebig mit Verschlußsachen umgeht. Und hier haben wir es mit einer Verschlußsache der obersten Kategorie zu tun.«
    »Harry hat mir gar nichts gesagt. Das war Courtland.«
    »Der Botschafter? Das darf doch nicht wahr sein. Er ist ein guter Mann. Aber er spielt nicht in dieser Liga.«
    »Er mußte informiert werden. Der Bonner Botschafter hat die Geheimhaltung gebrochen. Er war ziemlich wütend, wie ich höre, weil in seiner eigenen Regierung vier Kandidaten sind.«
    »Was, zum Teufel, geht hier eigentlich vor?« rief Sorenson. »Das sollte doch alles streng geheim bleiben, bis die entsprechenden Entscheidungen getroffen sind!«
    »Jemand konnte nicht warten«, sagte Drew. »Die Läufer sind losgerannt, ehe der Startschuß gefallen ist.«
    »Haben Sie eigentlich eine Ahnung, was Sie da sagen?«
    »Oh ja, ganz bestimmt.«
    »Dann erzählen Sie es mir, verdammt nochmal! Ich habe um zehn eine Besprechung mit dem Außenminister und dem DCI -«
    »Seien Sie vorsichtig, was Sie sagen«, fiel Lennox ihm ins Wort.
    »Was um Himmels willen soll das jetzt wieder bedeuten?«
    »Die AA-Zero-Computer der Agency sind angezapft worden. Die Bruderschaft - das ist der Name, den die Neonazis sich gegeben haben - wußte genau über Harrys Operation Bescheid. Die Codebezeichnung Sting, die Ziele, selbst die geplante Dauer seines Einsatzes. Das stammt alles aus Langley.«
    »Das ist doch alles ganz große Scheiße!« röhrte der Direktor. »Woher wissen Sie das alles?«
    »Von einer Frau namens de Vries, deren Mann für Harry im früheren Ostberlin tätig war. Er ist von der Stasi umgebracht worden, und sie steht auf unserer Seite. Sie arbeitet jetzt in der Botschaft und sagt, sie hätte noch ein paar alte Rechnungen zu begleichen. Ich glaube ihr.«

    »Sind Sie sicher?«
    »Nicht zu hundert Prozent, aber ich denke schon.«
    »Was meint Moreau?«
    »Moreau?«
    »Ja natürlich. Claude Moreau, das Deuxième.«
    »Ich dachte, Sie hätten Harrys Liste.«
    »Und?«
    »Er steht auf der Liste. Man hat mich angewiesen, ihm nichts zu sagen.«
    Am anderen Ende der Leitung war ein kurzes Stöhnen zu hören, dann war Schweigen. Ein Schweigen, in dem man die Spannung förmlich

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