Die Lennox-Falle - Roman
gemessen. »Wie ich Spottdrossel schon erklärt habe, Herr Kröger, gibt es mehrere Möglichkeiten. Sie sind entkommen, sind aber beide verwundet worden, wir wissen nicht wie schwer. Wenn ihre Lage hoffnungslos wäre, hätten sie das getan, wozu jeder von uns sich unter Eid verpflichtet hat, nämlich sich selbst mit einer Zyankalikapsel getötet.«
»Sie haben also nichts von ihnen gehört?«
»Das ist richtig. Aber wir wissen, daß sie mit dem Wagen entkommen sind.«
»Woher wissen Sie das?«
»Es stand in sämtlichen Zeitungen, und alle Nachrichtensendungen waren voll davon. Außerdem haben wir erfahren, daß eine großangelegte Suchaktion nach ihnen im Gange ist, die Polizei, die Sûreté und sogar das Deuxième Bureau sind eingeschaltet. Sie suchen überall: in Städten, Dörfern, ja sogar auf Hügeln und in den Wäldern; jeder Arzt im Umkreis von zwei Stunden um Paris wird befragt.«
»Dann schließen Sie also auf Doppelselbstmord, und doch haben Sie gesagt, es gebe mehrere Möglichkeiten. Was denn noch?«
»Die ist die wahrscheinlichste, das sehen Sie ganz richtig, aber es ist auch vorstellbar, daß sie langsam wieder zu Kräften kommen und kein Telefon in Reichweite haben. Wie Sie ja wissen, sind wir dazu ausgebildet, uns, wenn wir verwundet sind, selbst zu behandeln und dabei im Versteck zu bleiben, bis wir wieder genügend zu Kräften gekommen sind, um Verbindung aufzunehmen. Wir sind alle hinreichend medizinisch ausgebildet, um auch kleinere Knochenbrüche selbst einzurichten.«
»Das ist ja großartig. Da kann ich ja mein Diplom zurückgeben und meine Patienten zu Ihnen schicken.«
»Das ist kein Witz, Herr Kröger, das ist einfach Teil unseres Überlebenstrainings.«
»Gibt es noch andere ›Möglichkeiten‹?«
»Sie meinen, ob man sie gefangengenommen hat?«
»Ja.«
»Wenn das der Fall wäre, wüßten wir es. Unsere Informanten in der Botschaft hätten es erfahren, und die Suchaktion steht außer Zweifel. Die französische Regierung hat über hundert Personen für die Suche nach unserer Einheit abgestellt. Wir haben sie beobachtet, sie gehört.«
»Das klingt sehr überzeugend. Was also noch? Wo sind die Männer? Harry Lennox muß gefunden werden!«
»Wir glauben, daß wir ihm auf der Spur sind. Lennox steht unter dem Schutz der Antineos -«
»Das wissen wir auch!« fiel Kröger ihm ärgerlich ins Wort. »Aber es zu wissen hat gar nichts zu bedeuten, solange Sie nicht wissen, wo sie sind oder wo sie ihn versteckt halten.«
»Möglicherweise erfahren wir im Lauf der nächsten zwei Stunden, wo ihr Hauptquartier ist.«
»Was? … Warum haben Sie das nicht schon früher gesagt?«
»Weil es mir lieber ist, Ihnen Tatsachen zu berichten, als Spekulationen anzustellen. Ich habe gesagt ›möglicherweise erfahren wir‹, bis jetzt ist das aber noch nicht der Fall.«
»Wie?«
»Der Sicherheitschef der Botschaft hat telefonischen Kontakt mit den Antineos aufgenommen; sein Telefon wird so wie das des Botschafters regelmäßig überprüft, um sicherzustellen, daß es nicht abgehört wird. Aber es gibt unter Verschluß eine Liste seiner Anrufe; unser Mann glaubt, er könne an diese Liste herankommen und sie fotokopieren. Sobald wir die Nummern haben, können wir ohne Mühe jemanden bei der Telefongesellschaft bestechen, um die jeweiligen Adressen auszugraben. Und dann ist es ein Kinderspiel.«
»Sie scheinen sich auf Ihr Handwerk zu verstehen, Herr - wie heißen Sie?«
»Ich habe keinen Namen, keiner von uns hat einen Namen. Ich bin Nummer Null Eins, Paris. Kommen Sie, ich habe ein Fahrzeug für Sie besorgt. Wir werden ständig miteinander in Verbindung bleiben.«
Am Schreibtisch seines Zimmers im Maison Rouge der Antineos griff Drew nach dem Telefon und wählte die Nummer der Botschaft. Er bat die Vermittlung, ihn mit Mrs. de Vries in Dokumente und Recherchen zu verbinden.
»Hier Harry Lennox«, sagte Drew, als Karin sich gemeldet hatte. »Können Sie reden?«
»Ja, Monsieur, es ist niemand hier. Aber zuerst habe ich Instruktionen für Sie. Der Botschafter hat mich kommen lassen und mich gebeten, sie bei Ihrem nächsten Anruf an Sie weiterzugeben.«
»Ja, sprechen Sie«, sagte Lennox, jetzt in der Rolle seines toten Bruders. Er kniff die Augen etwas zusammen und lauschte aufmerksam.
Karin war im Begriff, ihm eine Botschaft zukommen zu lassen. Er griff nach einem Bleistift.
»Sie sollen heute abend um halb zehn mit unserem Kurier Nummer sechzehn an der oberen Station der Drahtseilbahn
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