Die Leopardin
geringfügige Abweichungen sicher seiner Belastung zuschreiben.« Er begann, die Buchstaben einzugeben.
Franck rechnete mit mindestens einer Stunde Wartezeit. Die britische Empfangsstation musste die Nachricht entschlüsseln und dann an Helicopters Führungsoffizier weitergeben, der bestimmt schon im Bett lag. Vielleicht wurde ihm die Nachricht telefonisch durchgegeben und er formulierte sofort eine Antwort, doch selbst dann musste sie erst wieder verschlüsselt und gesendet und zuletzt von Hauptmann Joachim wieder entschlüsselt werden.
Franck und Goedel gingen in die Küche im Erdgeschoss, wo eine Kasino-Ordonnanz gerade mit den Vorbereitungen zum Frühstück begann. Sie ließen sich Würstchen und Kaffee servieren. Goedel wollte auf schnellstem Wege wieder ins Rommel’sche Hauptquartier zurück, entschloss sich jedoch, die Antwort aus England noch abzuwarten.
Es war schon hell, als eine junge Frau in SS-Uniform erschien und meldete, dass die Antwort eingetroffen sei und Hauptmann Joachim sie auch schon fast dechiffriert habe.
Sie eilten die Treppe hinunter. Weber mit dem ihm eigenen Talent, überall da aufzutauchen, wo es was Neues gab, war bereits da. Joachim reichte ihm das Original der getippten Nachricht und gab die beiden Durchschläge Franck und Goedel.
Dieter Franck las:
DOHLEN ABSPRUNG ABGEBLASEN ANDERSWO GELANDET. WARTEN SIE KONTAKTAUFNAHME DURCH LEOPARDIN AB.
»Nicht gerade sehr aufschlussreich«, bemerkte Weber mürrisch.
Goedel stimmte zu. »Ja, das ist enttäuschend.«
»Sie irren sich, alle beide!«, frohlockte Franck. »Die Leopardin ist in Frankreich – und ich habe ein Bild von ihr!« Schwungvoll zog er die Fotografien von Felicity Clairet aus seiner Tasche und reichte eine davon Weber. »Schnappen Sie sich einen Drucker und lassen Sie ihn tausend Exemplare davon drucken. Binnen zwölf Stunden hängt dieses Bild überall in Reims aus. Hans, lassen Sie meinen Wagen auftanken!«
»Wo wollen Sie hin?«, fragte Goedel.
»Nach Paris. Dort mache ich dasselbe mit der zweiten Fotografie von Madame. Jetzt hab ich sie!«
Der Absprung verlief ohne größere Zwischenfälle. Zuerst wurden die Behälter abgeworfen, damit sie nicht auf den Köpfen der Fallschirmspringerinnen landeten; dann setzten sich die Dohlen der Reihe nach ans obere Ende der Rutsche und ließen sich, sobald ihnen der Absetzer auf die Schulter tippte, ins Freie gleiten.
Flick sprang als Letzte. Noch während sie fiel, drehte die Hudson nach Norden ab und verschwand in der Nacht. Flick wünschte der Crew insgeheim viel Glück. In Kürze brach die Morgendämmerung an. Wegen der nächtlichen Verzögerungen musste die Maschine den letzten Teil des Rückflugs im gefährlichen Tageslicht bewältigen.
Flick machte eine perfekte Landung mit angezogenen Knien und beidseits unter die Achseln geschobenen Händen. Unten angekommen, blieb sie einen Moment lang still liegen. Französische Erde, dachte sie, und ein Angstschauer durchfuhr sie. Feindliches Gebiet. Hier galt sie als Kriminelle, als Terroristin, als Spionin. Wenn ich in Gefangenschaft gerate, werde ich hingerichtet, dachte sie.
Resolut schob sie den Gedanken beiseite und erhob sich. Nur wenige Meter von ihr entfernt stand ein Esel im Mondlicht und glotzte sie an, dann senkte er den Kopf und graste weiter. Drei der Behälter lagen ganz in Flicks Nähe. Weiter entfernt, praktisch über die gesamte Wiese verteilt, war ein halbes Dutzend Resistance-Kämpfer dabei, jeweils zu zweit die unhandlichen Behälter aufzulesen und wegzutragen.
Flick kämpfte sich aus ihren Fallschirmgurten und legte den Helm und die Fliegerkombi ab. Sie war noch nicht ganz fertig damit, als ein junger Mann auf sie zugerannt kam und sie atemlos auf Französisch ansprach: »Wir haben nicht mit Personen gerechnet, nur mit Material!« »Der Plan wurde geändert«, sagte Flick. »Kein Grund zur Aufregung. Ist Anton hier?« Der Anführer der Vestryman-Zelle trug den Codenamen Anton.
»Ja.«
»Sagen Sie ihm, die Leopardin ist da.«
»Ah – Sie sind die Leopardin?« Der junge Mann war beeindruckt.
»Ja.«
»Ich bin Chevalier. Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Flick warf einen Blick zum Himmel, dessen Schwärze allmählich in Grau überging. »Bitte gehen Sie sofort zu Anton, Chevalier. Sagen Sie ihm, wir sind zu sechst, brauchen Transportmittel und haben keine Zeit zu verlieren.«
»Wird gemacht.« Der junge Mann hastete davon.
Flick faltete ihren Fallschirm zu einem ordentlichen
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