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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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aufgehen.«
    »Weiß ich«, sagte Flick. »Dann blutet sie eben.«
    Das Dörfchen Chatelle bestand aus einer Hand voll Häusern, die sich um eine Straßenkreuzung gruppierten: Drei Bauernhöfe, ein paar Landarbeiterhütten und eine Bäckerei für die Höfe und Weiler in der Umgebung. Flick stand auf einer Viehweide gut anderthalb Kilometer von der Kreuzung entfernt und hielt eine Taschenlampe in der Hand, die ungefähr so groß war wie eine Zigarettenschachtel.
    Piloten der 161. Schwadron der Royal Air Force hatten ihr in einem einwöchigen Kurs beigebracht, wie man ein Flugzeug zur Landung einwies. Ihr gegenwärtiger Standort entsprach den Anforderungen. Die Weide war einen knappen Kilometer lang. Eine Lysander benötigte fünfhundert Meter zum Landen und Starten. Der Boden war fest und fiel in keiner Richtung ab. Außerdem gab es in der Nähe einen Teich, der im Mondlicht für den Piloten gut erkennbar war und eine wertvolle Orientierungshilfe darstellte.
    Michel und Gilberte standen, von Flick aus gesehen, gegen den Wind, in einer geraden Linie und waren ebenfalls mit Taschenlampen ausgerüstet. Claude stand ein paar Meter neben Gilberte, sodass ihre Lichtzeichen von oben das Bild eines auf dem Kopf stehenden »L« ergaben und dem Piloten halfen, den Landeplatz zu lokalisieren. In abgelegenen Gegenden konnte man auch mit Reisigfeuern arbeiten, doch hier, in der Nähe eines Dorfes, war es zu gefährlich, verräterische Brandstellen auf dem Boden zu hinterlassen.
    Die vier Menschen bildeten das, was unter Agenten als »Empfangskomitee« bekannt war. Flicks Teams verhielten sich immer still und diszipliniert. Bei weniger gut organisierten Zellen kam es manchmal vor, dass die Landung zur Party ausartete. Da standen dann die Leute in Gruppen zusammen, alberten herum und rauchten Zigaretten, und aus den umliegenden Dörfern tauchten plötzlich Zuschauer auf. Solche Veranstaltungen waren gefährlich. Wenn der Pilot dem Braten nicht traute und befürchten musste, dass die geplante Landung an die Deutschen verraten worden war und folglich die Gestapo bereits auf der Lauer lag, musste er schnell reagieren. In den Instruktionen der Empfangskomitees stand klipp und klar, dass jeder, der sich dem Flugzeug aus dem falschen Winkel näherte, damit rechnen musste, vom Piloten erschossen zu werden. Bisher war ein solcher Fall noch nicht eingetreten, doch einmal war ein Schaulustiger von einem Hudson-Bomber überrollt und getötet worden.
    Die Warterei war immer der reine Horror. Traf das Flugzeug aus irgendeinem Grund nicht ein, bedeutete dies für Flick weitere vierundzwanzig Stunden unverminderter Hochspannung und Gefahr. Und ob die Maschine nun kam oder nicht, konnte kein Agent voraussagen. Dies lag nicht etwa daran, dass die RAF unzuverlässig gewesen wäre, sondern, wie die Piloten der 161. Schwadron Flick erklärt hatten, an den ungeheuren Schwierigkeiten, die sich auf Strecken von mehreren Hundert Kilometern aus der Navigation bei Mondlicht ergaben. Der Pilot bediente sich einer Methode, die dead reckoning genannt wurde. Dabei berechnete er seine Position nach Richtung, Geschwindigkeit und verstrichener Zeit und versuchte das Ergebnis anhand von Geländekennzeichen wie Flüssen, Städten, Eisenbahntrassen und Wäldern zu bestätigen. Das Problem lag darin, dass sich die Kursabweichung durch Winddrift nicht genau bestimmen ließ. Und das mit den Geländemerkmalen funktionierte auch nicht immer, denn im Mondlicht sah ein Fluss mehr oder weniger wie der andere aus. Es war schon schwer genug, das anvisierte Gebiet wenigstens ungefähr zu finden – doch wenn es darum ging, jemanden abzuholen, mussten die Piloten zudem ein ganz bestimmtes Feld entdecken.
    Versteckte sich der Mond hinter Wolken, war das Ganze von vornherein unmöglich. In diesen Fällen startete das Flugzeug gar nicht erst.
    Aber diese Nacht war schön und klar, und Flick hoffte das Beste. Und tatsächlich – ein paar Minuten vor Mitternacht hörte sie das unmissverständliche Brummen einer einmotorigen Maschine, erst nur schwach, dann zunehmend lauter, wie aufbrandender Applaus. Freudige Erwartung ergriff sie: Es ging wieder nach Hause! Sie blinkte mit der Taschenlampe das »X« des Morsealphabets. Jeder andere Buchstabe hätte den Verdacht des Piloten erregt; er hätte eine Falle vermutet und, ohne zu landen, wieder abgedreht.
    Das Flugzeug beschrieb einen Kreis und verlor dann rasch an Höhe. Rechts von Flick setzte es auf, bremste, wendete zwischen Michel und

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