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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schultern und zerrte sie einfach aus dem Handgemenge. Jetzt ergriffen weitere Hände ihre Arme und Beine, jemand bekam sogar eine Handvoll von ihren kurzen Haaren zu fassen, und sie wurde in ein Durcheinander aus zappelnden Körpern und Beinen geschleift, weg vom Bus, weg von ihrem Vater. Sie geriet in Panik
und wehrte sich. Es hagelte Tritte und Schläge. Niemand reagierte auf ihre Schreie, weil alle Welt schrie.
    Dann wurde sie inmitten des Mobs zu Boden geschleudert. Ein Gesicht zeichnete sich über ihr ab, das sauber rasierte Gesicht eines Mannes – der Mann, den sie anfangs angegriffen hatte. »Tut mir leid!«, brüllte er zu ihr herunter. »Tut mir leid! Ich tue das für meine Tochter. Versuch das zu verstehen …«
    Sie spürte Hände an ihrem Hals, ihrer Taille. Die Kleider wurden ihr vom Leib gerissen.
    Ein furchtbarer Schmerz explodierte in ihrem Kopf.

29
    »Vielleicht solltest du lieber das da anziehen.«
    Ein Windhauch in ihrem Gesicht. Etwas Hartes, Klobiges unter dem Rücken. Bruchstückhafte Eindrücke. Sie spürte, wie ihr Wasser über die Lippen in den Mund rann, abgestanden und säuerlich. Trieb da irgendjemand Spielchen mit ihr, Wilson oder Kelly vielleicht?
    Aber sie war nicht im Schlafsaal. Sie schüttelte den Kopf, um dem Rinnsal zu entgehen, und stöhnte. Ihr Kopf tat weh .
    Sie schlug die Augen auf und sah ein Stück blauen Himmel, zwischen den Mauern zweier hoher Gebäude. Das Wasser, das ihr ins Gesicht spritzte, kam aus einem Überlauf hoch oben an der Wand über ihr.
    Angewidert rollte sie sich herum. Bei jeder Bewegung blitzten blendende Lichter in ihren Augen auf. Sie saß im Schmutz, auf Pflastersteinen. Und sie war bis auf die Unterwäsche entkleidet. »Scheiße.« Sie schloss die Arme über der Brust und dem Schritt.
    »Ich hab gesagt, vielleicht solltest du lieber das da anziehen.«
    Sie drehte sich um. Jemand saß im Schatten, an eine Mauer gelehnt. Er war barfuß und trug eine zerlumpte Jeans, eine Jacke mit einem fast zur Unsichtbarkeit verblassten Logo. Sein Haar war ein schwarzer Wust, und er hatte einen dünnen Bart. Er konnte nicht älter als siebzehn oder achtzehn sein. Er starrte ihr auf die Brust.

    »Glotz mich nicht so an.«
    »Na, du bist doch die mit den nackten Titten. Ich sag’s nochmal, du solltest das da anziehen.«
    Sie schaute hin und sah einen Haufen schmutziger Kleider neben ihr, eine Art Overall, ein Unterhemd. Sie stanken. »Das Zeug gehört mir nicht.«
    »Ich weiß. Der Kerl, der dich hier abgeladen hat, hat es dagelassen. Gehört seiner Tochter, hat er gesagt. Du würdest das schon verstehen.«
    Sie starrte ihn an. »Wo sind meine Sachen?«
    »Hat er mitgenommen. Der Kerl mit der Tochter. Schicke rotblaue Klamotten, stimmt’s? Dein Gesicht kam mir gleich bekannt vor. Du bist eine Kandidatin. Wie ist das so, berühmt zu sein?«
    Sie hörte laute Rufe, den Klang von Trillerpfeifen, das Knistern und Knastern von Funkgeräten irgendwo in der Nähe. Hunde bellten. Verständnislos starrte sie den Kleidermüll an. »Dieser Kerl – dieser Mann. Was hat der sich dabei gedacht? Wollte er so tun, als wäre seine Tochter eine Kandidatin? Hat er wirklich geglaubt, damit irgendjemand täuschen zu können? Wir kennen einander. Unsere Familien, unsere Tutoren kennen uns – ihr kennt uns.«
    »Schon richtig, ist aber irgendwie ’n chaotischer Tag heute, findest du nicht? ’ne Menge Leute werden heute am falschen Platz landen. Da kann man’s einem nicht übelnehmen, dass er’s probiert. Und er hat dir nicht viel getan. Hat dir sogar die Stiefel gelassen.«
    Sie sah, dass es stimmte; ihre Füße unten an den nackten Beinen steckten noch in den blauen Plastikstiefeln.
    »’türlich hab ich sie dir auch gelassen«, sagte der junge Latino. »Was soll’s, Blau ist eh nicht so meine Farbe.« Er lachte meckernd,
und sie sah, dass in seinen Zähnen große Lücken klafften. »Zieh jetzt deine Klamotten an.«
    »Das sind nicht meine.«
    »Na, das kannst du ja den Treibern erzählen, wenn sie kommen, oder? Die arbeiten sich Block für Block vor.« Er stand steifbeinig auf und wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab.
    »Was für Treiber? Wo bin ich?«
    »Ecke Garfield und East Colfax.«
    Nur ein paar Blocks von City Park entfernt, wo das Museum war. Sie stand auf, ohne ihren dröhnenden Schädel zu beachten. Sie hörte, wie die Trillerpfeifen, die Hunde näher kamen. Wenn sie mit den Cops reden konnte, würden sie ihr vielleicht eine Eskorte mitgeben und sie zu ihren

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