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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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bevorstehender Mordverhandlung aussagst, werden dich die Anwälte der Verteidigung auseinandernehmen.«
    Na toll. Wird bestimmt lustig. Ich freue mich schon darauf.
    »Ich würde am liebsten die Polizei verklagen«, sagt Mum. »Die haben sich nicht richtig um uns gekümmert. Wir können froh sein, dass nur einer erschossen wurde. Es hätte ebenso gut ein Massaker geben können.«
    Dann weint sie, und mein Dad springt buchstäblich über das Bett, um sie in den Arm zu nehmen, und sie weint an seiner Brust und er küsst ihr Haar und ihre Augenbrauen, und Mr Armstrong und ich geben uns die größte Mühe, sie dabei nicht anzuglotzen. Es sieht so aus, als wären sie nicht mehr wütend aufeinander. Es ist total peinlich.
    Mr Armstrong geht raus, und mein Dad sagt: »Nicki, du siehst total erschlagen aus. Warum nimmst du dir nicht ein Taxi und fährst wieder zu Pen?«
    Meine Mum willigt ein. Sie sieht mich kaum an, als wir uns einen Abschiedskuss geben, und als sie rausgeht, merke ich, dass sie wieder weint.
    Jetzt sind nur noch mein Dad und ich da. Er sieht mich an, will etwas sagen. Ich denke ans Gefängnis, und dann fällt mir The Priory ein, und ich überlege, wie ich ihn danach fragen soll. Ich warte, dass er mit dem Messer und der Mail und dem ganzen Kram weitermacht.
    Stattdessen fragt er: »Wo ist die Fernbedienung?«, stellt die Glotze an und wir schauen uns zusammen Top Gear und die Simpsons und Wer wird Millionär an. Als die Krankenschwester kommt und sagt, dass die Besuchszeit vorbei sei und er gehen muss, geht er mit ihr raus auf den Flur, und dann kommt er zurück und setzt sich wieder hin und wir sehen uns die EastEnders an. Wir schalten erst aus, als Holby City anfängt, aber dann zeigt er mir ein paar Spiele auf seinem BlackBerry und wir probieren, wer die meisten Punkte kriegt, und ich schlage ihn jedes Mal.
    Als ich mein Abendessen reinschlinge – Käsemakkaroni, ekelhaft –, erzählt er mir ein bisschen von seiner Band, dass er nie damit gerechnet hatte, dass mehr daraus werden würde, als mit seinen Freunden herumzudaddeln, aber auf einmal hatten sie einen Manager und einen Plattenvertrag und schon wurden sie von einem Festival zum anderen gereicht.
    Ich glaube nicht, dass mir die Musik seiner Band gefallenwürde. Er fragt, ob ich Indie-Rock mag, und als ich verneine und sage, dass ich Hip-Hop höre, sieht er mich ziemlich verächtlich an und murmelt: »Da muss ich dich wohl noch ein bisschen erziehen.« Ja, toll, vielen Dank auch. Er erzählt, seine Band sei sehr von den Pixies und von Nirvana beeinflusst gewesen: »Ein Journalist im Guardian hat uns mal die britischen Pearl Jam genannt.«
    »Warum habt ihr aufgehört?«, erkundige ich mich höflich und frage mich insgeheim, wie etwas, das sich so gruselig anhört, jemals Erfolg haben kann.
    »Ach, du weißt ja, die Lebensumstände und so«, sagt er fast gleichgültig. »Es hat einfach nicht mehr gepasst.«
    »Ach so«, sage ich und komme mir vor wie ein Idiot, und er sagt: »Ich dachte, ich könnte es hinkriegen, aber ich habe mich getäuscht. Ich habe meine Lektion gelernt. Nicki hat recht gehabt, dass sie dich von mir ferngehalten hat. Ich habe es damals nicht akzeptiert, aber es wäre nicht gut für dich gewesen. Es tut mir wirklich sehr leid. Ich versuche es wiedergutzumachen.«
    »Ist schon in Ordnung«, erwidere ich.
    Die Schwester kommt rein, nimmt den Teller mit und sagt, dass ich mich zum Schlafen fertig machen soll. »Morgen ist ein großer Tag«, sagt sie. »Du kommst wieder nach Hause.«
    »Ja, stimmt«, sage ich, und ich denke, dass ich damit schon klarkomme, aber als sie weg ist, muss ich daran denken, wie es wäre, wenn ich tatsächlich wieder nach Hause kommen würde, in unsere kleine Wohnung, und das Ganze überhaupt nicht passiert wäre.
    Aber dann wäre ich auch Claire nie begegnet und wäre nie Joe gewesen. Ich wüsste immer noch nicht, dass ich ein guter Läufer bin. Und ich hätte auch Patrick, Helen, Archie und Meg nicht kennengelernt.
    Und meinen Indierocker-Dad würde ich auch nicht kennen. Er sieht mich an und fragt: »Alles in Ordnung mit dir?«, und ich ziehe mein T-Shirt über den Kopf, damit ich »Jepp« sagen kann, ohne dass er dabei mein Gesicht sieht.
    Aber nachdem ich fünf Minuten wie erstarrt in dem Shirt verbracht habe, in der Hoffnung, dass ihm nichts auffällt, spüre ich, wie er sich neben mich setzt.
    »He«, sagt er, »alles ist gut. Dass du hier rauskommst, ist doch eine gute Nachricht.«
    Er zieht mir

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