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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Gefecht machen, Sir?«, fragte Archer.
    Genau darüber hatte Hayden auch die ganze Zeit nachgedacht. Er zögerte die Antwort einen Moment hinaus. »Nein, Mr Archer. Da niemand sicher Mündungsfeuer gesehen hat und das Signal, falls es eins war, nicht wiederholt wurde, belassen wir alles so.« Wieder blickte Hayden hinaus in die Dunkelheit und auf die schwachen Lichter der Konvoischiffe. Die Positionslampen wippten auf und ab, waren plötzlich verschwunden, tauchten blinkend wieder auf, schienen zu schwirren – ein Feld von betrunkenen Glühwürmchen.
    Nachdenklich und schweigend standen die Offiziere an der Reling.
    »Was bedeutet tonitrus? «, fragte Dryden in die Stille hinein.
    »Donner«, antwortete Gould.
    »Sehr gut, Gould«, sagte Archer. »Sie werden Mr Hawthorne hier bald Konkurrenz in klassischer Bildung machen.«
    »Nun, da Gould offenbar eine klassische Erziehung genossen hat«, meinte der Leutnant der Seesoldaten, »kehre ich zurück zu dem angenehmen Traum, den ich hatte, Kapitän.« Hawthorne tippte an seinen Hut und verschmolz mit der Dunkelheit.
    Archer trat wieder seinen Dienst als wachhabender Offizier an, und kurz darauf stand Hayden nur noch mit Midshipman Gould an der Reling. Hayden wollte fragen, ob dem Jungen aus der Religion seines Vaters irgendwelche Schwierigkeiten erwachsen waren, zögerte dann aber, das Thema anzuschneiden. Er wusste auch nicht, warum. »Haben Sie sich schon eingelebt, Mr Gould? Ich hoffe doch, dass es keine Probleme gibt?«
    »Nein, keine, Sir. Mr Wickham hat sich sehr viel Zeit genommen, mich über meine Pflichten aufzuklären, und jetzt erlerne ich das Handwerk eines Maats des Masters. Man muss eine ganze Menge auf einmal lernen, aber ich denke, ich mache Fortschritte.«
    »Fortschritte machen klingt ein wenig bescheiden, Mr Gould. Den Berichten entnehme ich, dass Sie wie kein Zweiter lernen.« Hayden schaute wieder hinüber zu dem Schwarm aus Lichtern. »Und wie kommen Sie mit den Matrosen zurecht?«
    Hayden spürte das Zögern des Jungen in der Dunkelheit.
    »Ganz gut, Kapitän Hayden«, erwiderte er etwas zu zuversichtlich. »Wie in anderen Bereichen auch, muss ich noch viel lernen.«
    »Mr Barthe ist ein exzellenter Master und ein großartiger Seemann, aber wenn Sie je einen Rat brauchen im Hinblick auf den Umgang mit den Männern, dann kommen Sie zu mir.« Kaum hatte Hayden dies gesagt, kam er sich wie ein Betrüger vor. Hatte er nicht selbst genug Schwierigkeiten mit der Crew? Mit einer Besatzung, die von Worthing aufgestachelt wurde? Doch zum Glück hatten diese Probleme sich noch nicht auf die Abläufe an Bord ausgewirkt.
    »Ja, haben Sie vielen Dank, Sir.«
    »Es darf Ihnen nicht unangenehm sein, wenn Sie sich in dieser Angelegenheit Rat holen. Wie man mit einer Besatzung umgeht, muss man lernen, genau wie das Spleißen.«
    »Aye, Sir.«
    »Sie können jetzt wieder Ihren Pflichten nachkommen.«
    Gould tippte an seinen Hut und schlüpfte leise davon. Verdrossen merkte Hayden, dass er kein Bedürfnis mehr nach Schlaf verspürte – natürlich war er immer noch erschöpft, doch er wusste, dass der Schlaf sich ihm in dieser Nacht entziehen würde. Plötzlich überkam ihn Verlangen nach Kaffee, aber der Ofen würde nicht vor Morgengrauen geschürt. Stattdessen ging er auf dem hinteren Quarterdeck auf und ab, von Backbord nach Steuerbord, und blieb nur manchmal stehen, um das Nachtglas über die dunkle See gleiten zu lassen.
    Niemand würde ihn jetzt stören, es sei denn, es gab einen absoluten Notfall. Auf einem Schiff, in dem sich über zweihundert Seelen drängten, konnte er sich glücklich schätzen, eine eigene Kabine zu haben. Auch das hintere Quarterdeck galt als private Zone des Kapitäns. Dennoch vermisste er auch die Geselligkeit in der Offiziersmesse, die ihm so vertraut geworden war, seit er als Leutnant Zugang zu diesem kleinen Club erhalten hatte. Ja, er vermisste die zumeist fröhliche Stimmung, die intensiv geführten Gespräche, den Esprit eines Mannes wie Hawthorne.
    Aus dieser speziellen Bruderschaft hatte er sich verabschieden müssen. Das war ihm spätestens seit dem Abendessen in der Offiziersmesse wieder bewusst geworden. Er war dort nur noch Gast und nahm nicht mehr Teil an den Diskussionen, die sich ergaben, er war jetzt der Kapitän – zumindest vorübergehend –, der Mann also, von dem die Zukunft der Männer in der Navy Seiner Majestät abhing.
    Was ihn jedoch noch mehr beunruhigte, war die Vermutung, dass er nun womöglich bei Tisch

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