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Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Die letzte Fahrt des Tramp Steamer

Titel: Die letzte Fahrt des Tramp Steamer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Álvaro Mutis
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höchstem Grad beunruhigend, denn er wirkte auf mich, als übermittelten Sie mir ein Zeichen eines geheimen Bündnisses: Jede Ihrer Begegnungen mit der Alción fällt mit entscheidenden Marksteinen meiner Liebesbeziehung mit Warda zusammen. Es gab andere denkwürdige und angenehme Abschnitte, aber in Helsinki, Punta Arenas, Kingston und im Orinoko-Delta verschworen sich die Umstände, um aus jeder dieser Stationen den Ort zu machen, an dem unsere Bestimmung definiert werden oder sich für immer auflösen sollte. Also bleibt mir nur noch, Ihnen zu erzählen, was auf der Alción und in den Gefühlen ihrer Besitzer geschah, jedes Mal wenn Ihnen das alte, heruntergekommene Schiff erschien, wo Sie es am wenigsten erwarteten. Sie sind der einzige Zeuge, der die Ereignisse zu kennen verdient und zu kennen hat. In einem gewissen Sinn, den wir nie werden erhellen können, sind auch Sie ein Protagonist von höchster Wichtigkeit.«
    Dann erklärte mir Iturri einige Einzelheiten der in Hamburg ausgeführten Reparaturen und der Eintragung des Schiffs durch das dortige Konsulat von Honduras. Die italienische Lizenz war abgelaufen und konnte nicht erneuert werden. Als der Tramp Steamer in Helsinki ankam, hatte der Winter mit der Strenge Einzug gehalten, die ich schon bei der Schilderung meiner ersten Begegnung mit dem Schiff erwähnte. Warda erfüllte ihr Versprechen aufs Wort. Als das Schiff anlegte, stieg sie zusammen mit den Beamten der Hafenbehörden das Fallreep hinauf. Mit einem Händedruck begrüßte sie den Kapitän und suchte dann in seiner Kajüte Zuflucht, während die Beamten auf der Kommandobrücke die Schiffspapiere überprüften. Nachdem die Eindringlinge verschwunden waren, ging Jon in seine Kajüte. Warda lag in der Koje und schaute feierlich zur Decke empor. Ein Lächeln zuckte ihr über die Lippen, als sie das Gesicht des Basken sah. Die Kajüte war voll geheizt und roch nach dieser Mischung aus Zahnpasta, After-Shave-Lotion und Lederartikeln, die für bestimmte ausschließlich männliche Bereiche, wo eine militärische Ordnung herrscht, typisch ist. »Komm, gib mir einen Kuss und mach nicht so ein Gesicht. Ich werde hier bleiben, solange das Schiff in Helsinki ist. Ich nehme an, du hast nichts dagegen, oder? Dieser Aberglaube von Frauen auf den Schiffen und ähnlicher Unsinn.« Iturri sagte, er habe keinen Einwand dieser Art, und es sei alltäglich, dass auf den Tramp Steamers der Kapitän mit seiner Frau reise oder mit einer Freundin, die als solche auftrete. Was ihn beschäftigte, waren die offensichtliche Unbequemlichkeit hier, der Raummangel und das Fehlen gewisser zum Unterbringen einer Frau unentbehrlicher Dinge. Mehr als das beunruhigte ihn aber vor allem, dass sie der Alción vor einem dieser luxuriösen Hotels in Helsinki den Vorzug gab, die im Ruf standen, die komfortabelsten ganz Nordeuropas zu sein. Sie könnten doch beide in einem von ihnen wohnen statt in dieser tristen, spartanisch eingerichteten Kajüte. Warda erklärte ihm, sie habe diesen Entschluss aus mehreren Gründen gefasst: »Erstens ertrage ich die Nordländer nicht. Sie haben etwas von diesen Modepuppen mit menschlichen Zügen, und das versetzt mich in Panik. Sie verstehen nicht zu trinken, zu essen, und sie lieben, soweit es mir von einer flüchtigen Beziehung her noch in Erinnerung ist, mit der ganzen protestantischen Schuld im Innern. Stell dir vor, was das für jemand bedeutet, der in Beirut geboren wurde.« Außerdem hatte sie sich die Grille in den Kopf gesetzt, mit ihm auf dem Schiff zusammenzuleben und ihm zuzusehen, wie er beim Löschen und Laden mitarbeitete. Das war ein Jon, den sie nicht kannte. »Ich habe die nötigen Kleider bei mir, mach dir keine Sorge. Es kommt auf eins heraus«, kam sie einem möglichen Einwand Jons zuvor. Und schließlich freute sie sich sehr darauf, zusammen die Bars und kleinen Restaurants im Hafen zu besuchen, die bestimmt eine viel gemütlichere und entspanntere Atmosphäre hatten als die in den Hotels, die sie an in die Arktis versetzte kalifornische Beerdigungsinstitute erinnerten. Schon seit einer Weile war Iturri von der Idee begeistert und sagte es Warda. Sie würden am Flughafen ihr Gepäck abholen und sich dann auf dem Schiff einrichten.
    Die Tage in Helsinki waren voller Optimismus und bestätigten die Lissabonner Erfahrung, die diese Fülle gehabt hatte, welche den Gedanken nahe legt, es handle sich um etwas Unwiederholbares. Sich in der schmalen Koje zu lieben und zusammen in ihr zu

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