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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Grenzübergang zwischen Nepal und Tibet, wie sie erfuhren. Hier gab es einen offiziellen Schlagbaum, und eine rote Hammer-und-Sichel-Fahne flatterte
über einer spektakulären rot-goldenen Fassade. Der Grenzposten war von einer Handvoll Soldaten in braunen Uniformen bemannt. Im Gegensatz zu den im Grunde indischen Zügen der Nepalesen waren ihre Gesichter flach, mongolisch. Lammocksons Gruppe und ihre Führer wurden ohne großes Aufhebens durchgelassen, ein kleines Bestechungsgeschenk in nepalesischer Währung genügte. Man gab ihnen jedoch zu verstehen, dass später eine gründlichere Überprüfung folgen würde.
    Sie verbrachten einen weiteren Tag auf der Straße.
    Und dann, mitten am nächsten harten Marschtag, ließen sie die grünen Täler endlich hinter sich und erklommen ein flaches, rötlich braunes, mit Felsen bestreutes Terrain. Dort gab es keine Bäume, sondern nur Büschel widerstandsfähigen Grases. Lily erinnerte sich an Raumsondenaufnahmen der Marsoberfläche; dieses Gelände hatte genau dasselbe verrostete, staubübersäte, vom Wind erodierte Aussehen. Doch als sie den Blick hob, sah sie eine Kette von Gebirgsausläufern, klumpig und braun, die zu einer sägezahnartigen Reihe höherer Berge führten, einer himmlischen Schönheit am Horizont. Es war ein erstaunlicher Anblick. Sie befanden sich auf der tibetischen Hochebene.
    Lily fiel es schwer zu glauben, dass sie hier war, dass ihre seltsame Reise sie von den Untergeschossen und Kellern in Barcelona nun hierher verschlagen hatte, aufs Dach der Welt.
    Aber die Hochebene wurde von einer Absperrung durchschnitten, einer Berliner Mauer aus Betonplatten, Stacheldraht und Maschinengewehrtürmen. Dahinter sah Lily ein
paar verstreute Gemeinschaften, die auf diesem kahlen Hochland gestrandet waren, Ansammlungen von Zelten und Hütten, aus denen Rauchfahnen in die stille, saubere Luft emporstiegen.
    Jang zog sein weißes Tuch hoch, so dass es den Mund bedeckte. Er warf Lily einen Blick zu. »Fallout der Bomben«, sagte er. »Meine Mutter hat mich immer gezwungen, das zu tragen.«
    »Ihre Mutter war eine kluge Frau.«
    Lammockson, der von der Anstrengung keuchte, marschierte an der Spitze der Gruppe auf das große, imposante Tor zu, das in die Mauer eingelassen war. Die nepalesischen Sherpas - auch Jang - waren jetzt still; sie hielten die Augen von den Wachposten abgewandt, die von den Geschütztürmen herabstarrten.
    Bevor sie zum Tor gelangten, näherten sie sich einer Reihe von Trägern, die aus einer anderen Richtung über die Ebene auf das Tor zukamen. Sie waren ebenso schwer beladen wie Lammocksons Sherpas, mit überquellenden Bambuskörben auf dem Rücken. Die Träger wurden von bewaffneten Chinesen flankiert; Lily musste an Schäferhunde denken, die eine Herde in Schach hielten. Während sie dahinstapften, ertönten klagende Glöckchen.
    »Früher hingen diese Glöckchen um den Hals von Yaks«, sagte Jang leise zu Lily. »Als die Russen, Chinesen und Inder gekommen sind und um diesen Ort gekämpft haben, haben sie alle Yaks gegessen oder mit ihren Bomben getötet. Jetzt tragen Männer und Frauen die Glöckchen.«
    »Sind diese Leute Sklaven?«
    Jang hob die Schultern. »Was bedeutet dieses Wort? Zu
viele Menschen, zu wenig Platz, zu wenig Nahrung. Wer das Hochland hält, kann machen, was er will.«
    Am Tor wurde die Trägerkolonne durchgelassen, aber Lammocksons Gruppe musste anhalten. Deubas junger Mann sprach in schnellem Chinesisch mit einem Befehlshaber, doch die Wachen machten keine Anstalten, den Schlagbaum hochzuklappen.
    Nach vielleicht einer halben Stunde kam ein anderer Mann durch die Absperrung heraus, ein älterer Europäer, der eine Art Mao-Anzug - oder was Lily dafür hielt - trug, wenngleich aus gutem Tuch gefertigt. Gehilfen begleiteten ihn.
    »Na endlich, verdammt noch mal«, brummte Lammockson. Er trat zuversichtlich vor. »Harry! Harry Sixsmith!« Er begrüßte Sixsmith genauso, wie er Prasad Deuba begrüßt hatte. Lily stellte sich vor, dass er eine Reihe nahezu identischer Geschäftsbeziehungen mit solchen Männern überall auf dem Planeten pflegte. »Sie alter Schwerenöter!«
    Harry Sixsmith ließ sich zu einem Händedruck herab. »Schön, Sie zu sehen, Nathan. Wie lange ist es her?« Er sprach ein kultiviertes britisches Oberschichtsenglisch. Er war hochgewachsen, vielleicht in Lammocksons Alter, und sah fit aus, aber Lily konnte seine Miene nicht ergründen. Jedenfalls schien er nicht allzu erfreut zu sein, sie hier zu

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