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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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was wie das hier hätte ich mir nie vorstellen können.« Lammockson war blass und zitterte; die Muskeln in seinen Wangen arbeiteten. Wütend ließ er den Blick über den trockenen Boden, die Berge schweifen. »Vielleicht wird hier der letzte Akt der Menschheitsgeschichte stattfinden. Die letzten Überlebenden, die sich um Menschenknochen zanken, während das Meer um ihre Füße plätschert. Herr im Himmel! Nun, hier können wir nicht bleiben.«
    »Ich habe eine Nachricht bekommen, Nathan«, sagte Piers. »Es gibt Probleme auf der Arche. Eine Meuterei. Sie wollen das Schiff versenken, damit wir alle von Bord gehen müssen.«

    »Die zwingen mich zu handeln. Was unternimmt dieses Arschloch Villegas dagegen?«
    Piers’ Miene verfinsterte sich. »Dem Kapitän zufolge führt er die Revolte an.«
    »Herrgott, Herrgott!« Lammockson schüttelte den Kopf. Einen Moment lang wirkte er ungeheuer müde, die Schultern hochgezogen, den Kopf gesenkt, als könnte er keinen Schritt weitergehen. Doch dann richtete er sich auf und sah sich um, als wollte er herausfinden, wo er war und welche Richtung er einschlagen musste. »Wir haben keine Zeit zu verschwenden. Piers, lassen Sie diese verdammten Sherpas wieder Aufstellung nehmen.« Mit diesen Worten marschierte er davon.
    Als sie den Rückweg antraten, ging Piers neben Lily her. »Sie ist wie ein Konzentrationslager, diese ganze Hochebene. Schlimmer als alles, was sich die Nazis ausgedacht haben.«
    »In der Welt sind so viele schreckliche Dinge geschehen, Piers. Wir sind bisher weitgehend verschont worden, nicht wahr? Die Überschwemmungen, die Hungersnöte, die Seuchen, die totale Verzweiflung …«
    »Das stimmt.«
    »Warum? Warum gerade wir?«
    Piers sah sie an. »Lammocksons starker Arm und blindes Glück, dass wir bei ihm Schutz gefunden haben. Und wenn wir nicht verschont worden wären, könnten wir jetzt nicht diese Frage stellen, habe ich recht?«
    Lily warf einen Blick zur maoistischen Grenze zurück. Die großen Torflügel öffneten sich, um Harry Sixsmith wieder einzulassen. Vom Tor aus führte eine Straße zwischen
weiß getünchten Häusern mit flachen Dächern hindurch. Die Straße war von Pfählen gesäumt, auf denen jeweils ein kieferloser Menschenschädel steckte.

81
    OKTOBER 2037
    Aus Kristie Caistors Sammelalbum:
    Der Anstieg des Meeresspiegels um über einen Kilometer schien die Einstellung der Arche-Besatzung zu der Flut zu verändern.
    Im Jahr nach der Abfahrt der Arche aus Nepal stieg das Wasser um weitere hundertfünfzig Meter. Die Leute an Bord betrachteten Lammocksons animierte Karten, auf der ein Licht nach dem anderen erlosch. Teheran. Cabramurra, die letzte noch existierende Stadt in Australien. Auch die großen Städte Südafrikas gerieten nun in Gefahr, Städte wie Harare und Pretoria, und sogar südamerikanische Städte wie Caracas. Der schiffseigene Nachrichtendienst fing noch immer Sendungen von überallher auf, vor allem aus Denver und anderen noch bestehenden Enklaven in großen Höhen. Aber die Einträge zeigten, dass das Interesse der Besatzung an den Bildern menschlichen Leidens schwand, den endlosen Migrationen, den Floßkolonien, den Kleinkriegen, und sich mehr auf neue Rekordpegel und grafische Zusammenfassungen des ungeheuren, weltumspannenden Ereignisses richtete. Als die Flut sich ihrer Endphase näherte, wurde sie im Bewusstsein der Menschen zu einer Abstraktion, einem Geschehen, das man mit Hilfe von Zahlen und grausigen Meilensteinen verfolgte.

    Lily Brooke und Piers Michaelmas hielten eine Art privater Totenwache ab, als das Funkfeuer von Avila ausfiel, als Spanien verstummte und die »Väter der Auserwählten« endlich besiegt waren.

82
    MAI 2038
    Der Bug der Arche pflügte in die Kruste, die das Meer überzog.
    Lily stand mit Piers auf dem Vordeck und sah zu. Es war, als stünden sie auf einem Eisbrecher, der sich seinen Weg durchs arktische Packeis bahnte. Aber die Kruste auf diesem Ozean bestand nicht aus Eis, sondern aus Abfall. Lily hatte ein kleines Fernglas, durch das sich der Schmutzfilm an der Oberfläche in ein Durcheinander aus Plastiknetzen, Getränkedosen, Sixpack-Ringen, Müllbeuteln, Einkaufstüten und Styroporverpackungen auflöste. Im wässrigen Sonnenlicht leuchteten die Farben, Rot, Orange, schillerndes Blau - künstliche Farben, die charakteristisch waren für eine verschwundene Welt. Lily glaubte, die Kruste riechen zu können, ein Gestank von Verwesung, Schimmel und Zerfall, aber das war vermutlich

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