Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
…«
Es war eine komplizierte Geschichte. Der von russischen Ingenieuren im Auftrag des Irans erbaute Reaktor hatte noch vor gar nicht so langer Zeit als Dreh- und Angelpunkt des iranischen Urananreicherungsprogramms weltweite Spannungen ausgelöst. Aber Buschehr lag direkt am Persischen Golf und war nun wie mehr als vierhundert andere Nuklearanlagen auf der Welt vom steigenden Meer bedroht. Und nicht nur das, es war auch ein lausiges Stück Technik voller Konstruktionsfehler, die seit Three Mile Island bei den meisten Anlagen gründlich ausgemerzt worden waren. Das IAEO-Team arbeitete mit den Iranern zusammen, um das Atomkraftwerk so schnell wie möglich stillzulegen, bevor das Meer es überfluten konnte.
»Natürlich unterstützt die Regierung Ihrer Majestät dieses Projekt«, sagte Michael. »Es ist mir gelungen, mich unserem Diplomatenteam zuweisen zu lassen. Alles nur ein Vorwand, um der kleinen Grace auf der Spur zu bleiben, versteht ihr.«
Grace war im Labyrinth von Saids Zweig der saudischen Königsfamilie verschwunden. Eine patriarchale Figur dieses Zweigs, ein entfernter Verwandter des saudischen Königs, war jedoch realistischer als die übrigen und hatte offenbar Kompromissvorschläge gemacht. Dieser Mann war wie alle anderen von der globalen Krise betroffen und mit einem saudischen Inspektionstrupp in den Iran geschickt worden.
Die Saudis brauchten einen hochrangigen Vertreter vor Ort, weil ein etwaiger Fallout von Buschehr den gesamten Golf in Windrichtung bedrohen würde, darunter Kuwait, Dubai und Saudi-Arabien selbst.
Michael hatte sich in der Hoffnung, einen Kontakt zu diesem hilfsbereiten Saudi-Prinzen herstellen zu können, der Mission zuteilen lassen.
»Aber es geht nur langsam voran«, gab er zu.
Helen hielt das für eine Untertreibung. Sie schüttelte den Kopf.
Amanda rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Tja, wir könnten nicht weiter von der Küste entfernt sein, und das ist auch gut so. Ich will euch was zeigen.« Sie tippte auf einer Tastatur herum, die nicht von der Kamera erfasst wurde. »Mal sehen, ob ich’s runterladen kann, es ist eine Karte, die sie gestern veröffentlicht haben. Ich wünschte, Benj wäre schon auf, der ist gut in solchen Sachen, aber er kommt frühestens gegen Mittag aus den Federn … Da haben wir’s.«
Auf dem Bildschirm erschien ein aus Hunderten von Satellitenaufnahmen zusammengesetztes Bild Großbritanniens, das die von der Überschwemmung verursachten Veränderungen zeigte. Helen stellte rasch fest, dass es interaktiv war; man konnte durch eine Berührung des Bildschirms näher herangehen, schwenken und Namen von Städten und Straßen über die Aufnahme legen. Sie spielten eine Weile damit und diskutierten über das, was sie sahen.
Die Karte zeigte verblüffende Änderungen. Die Themsemündung hatte sich zu einer Bucht verbreitert, die sich über die Marschen von Essex und North Kent ausdehnte. Die Strände der Ferienorte an der Südküste waren verschwunden.
In Somerset hatte das Meer die Marschen und Torfmoore überschwemmt und den Glastonbury Tor, einen Hügel in den Summerland Meadows, in eine Insel verwandelt. In East Anglia waren die uralten Entwässerungssysteme der Fens überflutet worden; das Meer war sechzig oder mehr Kilometer weit ins Landesinnere vorgedrungen, hatte Peterborough unter Wasser gesetzt und bei Cambridge eine neue Küste gebildet. Im Norden schlängelte sich die Humber-Mündung nun in ein Binnenmeer, das ehemals tiefliegendes Ackerland in Yorkshire bedeckte. Im Westen war die Küstenlinie von Lancashire, von Liverpool bis hinauf nach Lancaster, im Meer verschwunden; die Stadt Liverpool selbst war praktisch aufgegeben worden.
Helen verspürte eine seltsame Verwirrung. Ihre Jahre in Barcelona hatten sie aus der lebenslangen Gewohnheit herausgerissen, Informationen per Bildschirm aufzunehmen. Sie musste sich ins Gedächtnis rufen, dass diese Karte real war - dass das Meer wirklich solch große Stücke aus Großbritannien herausgebissen hatte, dass dies das sich verändernde Land war, in das Grace eines Tages heimkehren würde.
Amanda erzählte von ihrem Leben auf dem Wohnwagencampingplatz. Obwohl die schlimmsten Überschwemmungen in London zurückgegangen waren, hatte man noch immer nicht die Mittel gefunden, um den verlassenen Gebäudebestand in Fulham, Chiswick, Hammersmith und anderswo instand zu setzen. »Diese Wohnwagen schlagen allmählich Wurzeln. Wir haben jetzt Strom- und Wasserleitungen! Aber es ist alles so klein und
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