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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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herrlich es war, in ihrem großen Strohbett auf dem Dachboden eng neben ihr zu liegen und die langen dünnen, flaumigen Arme zu streicheln und im Winter, wenn ihnen kalt war, in die Mitte des Bettes zu kriechen und sich unter den Decken zusammenzukuscheln, während der Wind um sie heulte und die Eulen von ihren Balken herunterflogen und sich auf das Fußende des Bettes setzten…
    »Was machst du? Du bist noch nicht einmal ausgezogen.«
    Es war Hannah, die mit dem Mandelöl zurückkam. Einen Augenblick füllte sie den offenen Türrahmen mit ihrer großen Gestalt und der Masse ihres Bauches ganz aus – und der Dampf eilte auf sie zu und bildete um ihren Kopf eine dicke Wolke.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte Emma.
    Wie seltsam, dachte Hannah – und machte die Tür zu. Plötzlich fiel der ganze Dampf von ihr ab und enthüllte sie in einer glühenden Aufwallung von Rot, so dass Emma daran denken musste, wie Hannah einmal in der Sonne saß und ihr Gesicht begierig dem Licht entgegenhielt.
    »Ach«, sagte Hannah, während sie den Fußboden bis zum Herd überquerte und die Handtücher ausschüttelte, die sie vorher aus der Kombüse geholt hatte. »Ich bin ganz außer Atem. Ich werde in letzter Zeit so schnell müde…«
    Emma sagte: »Kein Wunder. Das Kind, das du trägst, ist ja auch so groß. Meinst du, es werden Zwillinge?«
    »Hoffentlich nicht«, sagte Hannah.
    »Oh«, sagte Emma. »Wenn ich ein Kind kriegen würde, hätte ich gerne Zwillinge.«
    »Ja – du schon. Mach jetzt schnell! Wir können nicht die ganze Nacht hier verbringen.«
    Hannah hatte ihre Strickjacke schon ausgezogen und krempelte die Ärmel hoch. Weiß – weiß – weiß; jedes Stückchen ihrer Kleidung war weiß.
    Emma starrte Hannahs Bauch an.
    »Darf ich das Kind anfassen?«
    »Nein«, sagte Hannah. »Zieh dich aus!«
     
     
    Der Zuber war so tief, dass man über den Rand klettern und sich ins Wasser fallen lassen und den Boden mit den Zehen suchen musste. Emma war so klein und rund, dass sie den Zuber fast ganz ausfüllte. Das Wasser stieg ihr bis zum Hals und schwappte über den Rand und auf den Fußboden.
    Als Erstes schnitt Hannah die Stofffetzen auf, die in Emmas Haaren als Bänder dienten, und dann tauchte sie sie ganz unter, so dass ihre Haare völlig nass wurden.
    Spuckend und kreischend kam Emma wieder hoch und klammerte sich mit aller Kraft, über die sie verfügte, an den Rand des Zubers. Ertrinken war genauso schrecklich, wie sie es sich vorgestellt hatte: Alles wurde schwarz um einen und verursachte ein lautes Klingeln in den Ohren.
    »Nicht!«, sagte sie. »Nicht!«
    Hannah nahm ein dickes Stück Seife – so stark wie diejenige, die Japeth in seinem verzweifelten Versuch, das Blau von seiner Haut zu entfernen, benutzt hatte. Es war die stärkste Seife, die Mrs Noyes hatte herstellen können, und sie roch so intensiv nach Lauge, dass Emma noch benommener wurde.
    Hannahs Finger waren sehr kräftig, und während sie mit der Seife Emmas Haare bearbeitete, schickten sie starke sinnliche Signale aus, auf den oberen und hinteren Teil von Emmas Kopf und ihren Nacken hinunter.
    Die Finger arbeiteten sich den Schädel herab, hielten unten am Nacken an, um auch dort die Muskeln zu massieren, sandten weitere Signale das Rückgrat entlang und über die Schultern…
    Emma ließ den Rand des Zubers los und stand einfach nur da, bis zum Brustbein im Wasser, mit gesenktem Kopf und offenem Mund.
    Wirbel für Wirbel arbeitete sich Hannah den Rücken der Kindsbraut hinunter, drückte mit den Daumen in der Mitte und breitete die Finger über das warme Fleisch auf beiden Seiten aus. Noch nie hatte Emma sich so entspannt oder so warm oder so verwirrt gefühlt.
    »Dreh dich um!«, befahl Hannah.
    Emma vollführte eine fast ballettartige Umdrehung; sie hob sich auf die Zehenspitzen und kreiste langsam im Wasser, bis ihr Gesicht Hannah zugewandt war.
    Hannah sagte: »Tauch unter!«
    Emma, den Mund noch immer offen, beugte die Knie und tauchte unter Wasser.
    Da stand Hannah auf und ging durch den Raum bis zum Herd, wo sie den Deckel hob und anfing, Emmas Kleidung hineinzuwerfen: ihre durchlöcherten, zerrissenen Strümpfe, ihre halb aufgelösten Schuhe aus Pappkarton, ihre Röcke und ihre Pumphose, ihre Bluse für drunter sowie ihre Bluse für drüber und ihr Tuch.
    Genau in diesem Augenblick tauchte Emma aus dem Wasser wieder auf, wischte sich die Augen und sah, was Hannah tat.
    »Was machst du da?«, fragte sie – sie nahm alles nur noch halb bewusst

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