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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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Macht nur noch mal solche Faxen, dann setz ich euch das Brenneisen ins Gesicht!«
    Das war alles. Weil wir immerzu gescholten werden, haben wir ein dickes Fell bekommen und lassen uns von solchen Kinkerlitzchen nicht mehr einschüchtern. Während der Lehrmädchen-Zeit wird man wegen jeder Kleinigkeit windelweich geprügelt, aber jetzt wird man fast nur noch ausgeschimpft. Ich war gänzlich ungerührt, denn Meckereienprallen an mir vollkommen ab, solange ich nicht geschlagen werde.
    Aus der Sicht meiner Mutter war meine umsatzträchtige Beliebtheit wohl eine solche Überraschung, als habe ein Pferd, das man für einen trägen Ackergaul gehalten hat, sich auf einmal als Pegasus emporgeschwungen. Ob eine hübsch ist oder häßlich, alle tünchen sich das Gesicht fingerdick mit weißer Schminke, und solange eine nicht ausgesprochen mißgestaltet ist, werden alle gleich schön. Ob sie Umsatz macht oder nicht, hängt mehr von ihrem Einsatz ab.
    Die Mutter war gut zu denjenigen, die sich gut verkaufen, und kalt zu denen, die sich nicht verkaufen, und diese unterschiedliche Behandlung war extrem. Morgens gab sie ihren bravsten Schützlingen je ein Ei in die Suppe, doch wenn eine ohne Engagement geblieben war, bekam sie als einzige kein Ei.
    »Du hast ja gestern abend nicht gearbeitet und bist auch nicht müde, da brauchst du keins«, sagte sie ihr vor allen anderen.
    Hinter ihrem Rücken tönten alle großspurig: »Die mit ihrem blöden Ei, das will doch keiner haben, das sollten wir der ins Gesicht klatschen!«, aber damit hatte es sich. Ins Gesicht sagte ihr das keine. Ich bin nie ohne mein Ei geblieben und glaube daher, daß ich für sie zu den Umsatz-Rennern zählte.
    Um diese Zeit wurde Shizuka, die noch immer von ihrem Inspektor Heiji schwärmte, von ihren Eltern losgekauft. Loskauf durch die Eltern, da kann man nichts dagegen machen, weil es die wirklichen Eltern sind, die kommen, um ihr Kind auszulösen, und auch unsere Patronin mußte sich damit abfinden. Allerdings bedeutet das nicht, daß Shizuka damit wirklich frei war. Ein Kind, das man als Lehrmädchen auf zehn Jahre Dienstzeit für 100 Yen verkauft hatte, kostet die Eltern inklusive Ausbildungs- und Verpflegungskosten etwa 250 Yen. Wenn sie es dann, voll ausgebildet, an ein anderes Haus weiterverkaufen, bringt es 300 bis 350 Yen ein. Auf alle Fälle machen die Eltern damit einen kleinen Gewinn. Sie mögen vielleicht ihre eigenen Kinder verkaufen, weil sie in tiefer Not stecken, aber wenn Eltern erst mal ihre Kinder zu Geld machen, überlegen sie nur, wie sie möglichst viel aus dem Kind rausholen können. Auch wenn Eltern, die ihre Tochter nicht woandershin weiterverkaufen, erfahren, daß sie jetzt als Geisha voll ausgebildet ist, dann erscheinen sie so gut wie sicher ein- oder zweimal, erbetteln sich Geld und verlängern damit die Dienstzeit ihrer Tochter.
    Ein neues Lehrmädchen
    Das erste Neujahrsfest, seit ich Nachwuchs-Geisha geworden bin, habe ich als besonders prachtvoll in Erinnerung. Um das Jahr 1940 fiel eine chinesische Großstadt nach der anderen in japanische Hand, was mit Laternenumzügen gefeiert wurde, und auch die japanische Konjunktur stand offenbar auf einem Höhepunkt.
    Zum Neujahrsfest tragen in der Geisha-Welt alle einheitlich Gewandung mit schwarzen Saummustern und schwarzlackierte Geta (Holzsandalen) zu weißen Tabi (Socken). Es ist wahnsinnig schön, wie die Geisha mit der Linken ihre Kimono schürzen, am Fußgelenk das purpurne Untergewand hervorflattert und das japanisch frisierte Haar wogt. Vor unserem Haus, das fünf Geisha aufbot, reihten sich fünf Rikschas auf und fuhren zum Neujahrsbesuch reihum zu den besten Stammkunden. Bei den Mäzenen wurde Tag und Nacht pausenlos mit Saus und Braus gefeiert, und die Prachtentfaltung während der Festtage war sondergleichen. Ich machtesowohl beim Festtrubel als auch nach dem Neujahrsfest eifrig guten Umsatz.
    Als der Frühling kam, wurde ein neues Lehrmädchen ins Takenoya verkauft. Als ich das Kind flüchtig im Eingangsflur erblickte, trug es zu einem nagelneuen Musselin-Kimono Geta mit roten Riemen, weshalb ich mich wunderte, warum man ein Kind aus so gutem Hause wohl verkauft haben mag. Nach einer Weile kamen die Verhandlungen offenbar zum Abschluß, und das Kind guckte an der Tür seinem fortgehenden Vater hinterdrein. Jetzt war ich überrascht, wie schlecht das Kind auf einmal angezogen war, noch viel zerlumpter als ich, als ich damals hierher gekommen bin.
    Das Mädchen hatte bemerkt,

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