Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
herzustellen, aber bei der Arbeit gab es keinen großen Unterschied zum Müßiggang. Es hapert an Material, die Produktion kommt überhaupt nicht voran. Die Leute in der Werkzeugabteilung basteln Blechnäpfe, die Leute in der Glasabteilung fertigen den ganzen Tag lang nur Tassen und Glaskatzen und schleppen das Zeug dann schleunigst nach Hause. ›Wie kann man so den Krieg gewinnen wollen‹, dachte ich da bei mir.
Mit der Zeit bemerkte ich, daß mich die Frauen bewußt schnitten.
»Die soll Geisha gewesen sein.«
»Nein, Mätresse. Die wird hierhergeschickt worden sein, weil sie, ans Jonglieren mit Männern gewöhnt, ihrem Mäzen gewaltige Hörner aufgesetzt hat.«
Solche Reden hinter meinem Rücken kamen mir dann und wann zu Ohren. Meine Laune wurde wieder stockfinster. »Eine Geisha, eine Mätresse«, wie lange wird mir das wohl noch anhängen? Soll ich lieber hier aufhören?
Aber an dem Tag, als es abgemacht war, daß ich in die Fabrik gehen würde, hatte der Lonpari geringschätzig gesagt:
»Wenn du, die du morgens bis 10 schläfst und nichts weiter kannst, als dir vor dem Spiegel das Gesicht und den Hintern zu polieren, auch nur einen Monat bei der Arbeit bleibst, kriegst du den großen Verdienstorden am Band!«
Wenn ich daran denke, kann ich leider nicht aufhören.
So habe ich eines Tages eine große Entdeckung gemacht. Ich hörte jemand erzählen, daß da ein Herr Motoyama sei, Sohn eines Sake-Händlers und Armee-Major, der wegen körperlicher Unpäßlichkeit vorübergehend vom Dienst befreit worden sei, aber hier arbeite, weil es seinen Kameraden gegenüber unfair sei, untätig zu bleiben. Demnächst solle er zur Truppe zurückkehren, und dann würden eine Menge Mädchen weinen.
Normalerweise sehen mich die Frauen hier mit Verachtung an, und die Männer mit Neugier und Wollust. Na gut, beschloß ich, den Burschen hol ich mir, den Leuten hier werd ich's zeigen!
Als erstes will ich ihn auf mich aufmerksam machen. Am selben Tag noch höre ich auf, vor den Leuten zu rauchen, lege mir den Ausdruck eines jungen Mädchens mit Herzeleid zu und gebe mich in der Mittagspause in seiner Sichtweite einsam und verloren. Ich gebe mir jede erdenkliche Mühe, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, ohne daß von jemandem durchschaut würde, daß es Absicht ist. Auch ohne eine hochelegante Schönheit zu sein, zweifelte ich nicht an meiner Fähigkeit, mit meinen 19 Jahren das Interesse eines Mannes gewinnen zu können. Wenn er aus irgendeinem Grund zufällig zu mir herschaut, weiche ich seinem Blick nicht aus, sondern sehe mit schmachtendem Auge zurück, und auf dem Heimweg von der Fabrik richte ich es so ein, daß ich mit hängendem Kopf kummervoll vor ihm hergehe.
Auf diese Art muß ich auch anderen Leuten bedauernswert erschienen sein; manch einer richtet teilnahmsvolle Worte an mich, aber ich gebe nur verächtliche Blicke zurück und lasse mich auf nichts ein. Wenn ich versehentlich von ihm gesehen würde, wie ich mit anderen Männern amüsiert plaudere, ginge meine Rechnung nicht auf. Vor dem großen Ziel stehen die kleinen Ziele, dachte ich und fügte mich geduldig in die Lage.
Man kann es zwar sicher nicht verallgemeinern, aber ich war der Auffassung, daß Männer in ihrem Herzen die Schwäche des Mitleids besitzen.
Zwei Monate waren wohl vergangen, da hörte ich eines Morgens im Wetterbericht, daß es vom Nachmittag an Regen geben sollte, und ging trotzdem ohne Schirm aus dem Haus. – Das ist deine Chance!
Als es Zeit ist heimzugehen, regnet es noch. Ich passe den richtigen Zeitpunkt ab und gehe vor ihm her. Am Tor angelangt, kommt er von hinten gelaufen, stößt beinah mit mir zusammen, drückt mir einen Regenschirm westlicher Machart in die Hand und macht sich davon. Ich bin auch ein bißchen aufgeregt. Dabei habe ich doch nur bei ihm Mitleid erregen wollen …
An diesem Abend ging ich zum Takenoya und bat den Vater:
»Schreiben Sie bitte für mich einen mitleiderregenden, heißen Brief, der keinen ungerührt lassen kann!«
»Du hast wohl wieder irgendeinen Streich ausgeheckt«, lachte die Mutter. Für ihr »wieder« hatte sie freilich ihre Gründe.
Kurz nachdem ich von dem Lonpari losgekauft worden war, aber noch im Takenoya wohnte, traf ich auf der Straße einen jungen Kunden, der mich bisher immer mit Vorliebe engagiert hatte, und wurde von ihm auf ein Gläschen Sake eingeladen, und ich war leichthin, wie um mir mein Abendessen zu verdienen, mitgegangen. Beim Abschied sagte er: »Treffen wir
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