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Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Titel: Die Letzte Liebe Meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Verhulst
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dass auch weniger gelungene Witze brüllendes Gelächter ernteten, und endlich hatte auch Willem, ein sonst eher stiller Genießer mit drei Schwarzwaldreisen im imaginären Ehrenregister, sich an die Runde gewandt und gefragt: »Kennt ihr den Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau?«
    Der Mann im Bierseidel-T-Shirt sprang auf. »Ha, ich denk schon!«, rief er, schaute demonstrativ in seine Hose, fuhr dann jedoch fort: »’tschuldigung, ich kann’s euch leider doch nicht sagen, ich dachte nämlich, der Unterschied wäre viel größer.«
    Ein Mann, von dem aller Stress abgefallen war.
    Tja, worin lag der Unterschied also dann? Zwischen einem Marokkaner und einem Abfalleimer, der war einfach. Den Unterschied zwischen ’nem Homo und einem schwarzen Schaf kannte auch jeder. Aber zwischen einem Mann und einer Frau? Junge, Junge, warum immer so schwierige Fragen?
    »Hat es was mit Zuspätkommen zu tun? Mit im Bad verbrachten Stunden? Auch nicht? Mit Strümpfen im Bett? Nein? Mit Sex? Mit Sex auch nicht? Wirklich nicht? Tja, dann kann ich’s nicht sagen. Los, Willem, erlös uns!«
    Willem der Erlöser. »Ein Mann will immer die erste Liebe im Leben der Frau sein. Eine Frau will im Leben ihres Mannes immer die letzte Liebe sein.«
    »Und weiter?«
    »Wie: und weiter?«
    »Na ja, eben weiter – wie geht’s weiter? Y después , wie der Spanier so schön sagt.«
    »Es geht nicht weiter, das war’s, wenn du das meinst.«
    »Aber dann ist das kein Witz, Willem! Dann ist das so ’n Spruch, wie man ihn beim Chinesen im Keks vor dem Bezahlen bekommt oder wie ihn Pastoren auf dem Beginenball den Betschwestern ins Ohr flüstern.«
    Obwohl es kein richtiger Witz war, lösten Willems Worte und erst recht die Reaktionen darauf die erwartete Heiterkeit aus.
    Jimmy, der die ganze Zeit stumm, doch gefesselt den Zirkus sozialer Umgangsformen der Erwachsenen studiert hatte, fand Willems Worte dagegen durchaus interessant, auch wenn sie mit so viel Hohn quittiert worden waren. Er bewegte sie im Kopf hin und her, nahm sie auseinander und setzte sie wieder zusammen; eine Beschäftigung, der er zu Hause, wenn auch nicht so erfolgreich, gern mit Radios und Weckern nachging. Und plötzlich kam ihm der Gedanke: ›Die letzte Liebe meiner Mutter‹, wär das kein guter Name für ein Parfüm?
    Zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden forderte man Wannes und Martine auf, einen aktiven Beitrag zur Unterhaltung zu liefern und endlich auch mal einen Witz zum Besten zu geben. Es hatte keinen Sinn, sich hinter der Ausflucht zu verstecken, ein schlechter Erzähler zu sein. Und die Behauptung, man habe kein gutes Gedächtnis für Witze, würde nur als Unwille gesehen, sich in die Gemeinschaft zu fügen. Alles in allem hätte es schlimmer kommen können, wenn zum Beispiel jemand einen Playbackwettbewerb organisiert und sie vor vollendete Tatsachen gestellt hätte. Bloß einen Witz, mehr verlangte man nicht, ob gut oder schlecht, war eigentlich schon egal. Ein einziger Witz, und sie wären für den Rest der Woche von allen akzeptiert.
    »Also gut«, nahm sich Martine schließlich zusammen und verdiente schon darum den Orden für Mut und Selbstaufopferung.
    »Ich kann das nicht so besonders, und es braucht auch niemand zu lachen, aber dann geb ich eben auch mal einen Schwank zum Besten.«
    Dankbarer und anfeuernder Applaus. Von Wannes, der sich gerettet fühlte, am meisten.
    Martine bekam schweißnasse Hände. Sie hasste es, im Mittelpunkt zu stehen, alle Augen auf sich gerichtet. Doch es gab kein Zurück. Noch einmal tief einatmen und dann …
    »… Kommt ein Mann wieder mal morgens um sieben nach Hause, von einer Sauftour mit seinen Kumpels. Er ist ziemlich blass, seine Hose ist schmuddlig, die Augen sind trüb, und er hat seinen Mantel verloren. Seine Frau will wissen, wo der Mantel geblieben ist, schließlich war er teuer, ein warmer Wintermantel, den kann er doch nicht einfach so irgendwo verloren haben. Also fragt sie ihn, wo er sich die ganze Nacht rumgetrieben hat. Aber er erinnert sich an nichts mehr. Keine einzige Kneipe, keine Straße, keinen Platz, kein Gesicht – einfach nichts mehr weiß er. Nicht mal, ob er sich wenigstens amüsiert hat. Aber sie, die den Haushalt seit Jahren zusammenhält und den Mantel, nebenbei bemerkt, auch noch bezahlt hat, sie will unbedingt wissen, wo das gute Stück geblieben ist. Und wenn sie hundert Tage dazu braucht, und wenn sie ihm das Hirn auslöffeln muss – an irgendwas muss er sich doch

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