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Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Die Letzte Liebe Meiner Mutter

Titel: Die Letzte Liebe Meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Verhulst
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erinnern, irgendeine Spur muss es doch geben. Und er strengt sich an, konzentriert sich wie seit Jahren nicht mehr, trotz seiner hämmernden Kopfschmerzen. Und auf einmal sagt er: Mir fällt was ein, irgendwo war da ein silbernes Klo … Sie ist sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hat, schließlich hat er auch keine so klare Aussprache mehr, aber er sagt es noch mal: Ja, jetzt weiß ich’s wieder, ich war irgendwo, wo sie ein silbernes Klo hatten. Sie nimmt ihn also am Arm, geht mit ihm in die Stadt und klappert alle Kneipen ab, um die Wirte zu fragen, ob sie ein silbernes Klo haben … In dreißig verschiedenen Läden sind sie schon gewesen, aber ohne Erfolg, was natürlich zu erwarten war. Im einunddreißigsten jedoch ruft der Besitzer auf einmal seinen Koch dazu und sagt: ›Chef, ich glaub, jetzt hab ich den Kerl, der dir heut Nacht in einen der Töpfe geschissen hat!‹«
    Alle waren sich einig: Auf so einen köstlichen Witz musste man anstoßen – mit einem Schnaps!
    Ein stolzer Wannes kniff Martine unter dem Tisch in eins ihrer Röllchen gesättigter Fette und flüsterte ihr ins Ohr, dass er gar nicht gewusst hatte, dass sie so gut Witze erzählen könne. Und sie, erleichtert, dass alles vorbei war, gab flüsternd zurück, dass es auch gar kein Witz gewesen war, eigentlich.

Kapitel 21
    E s war drei Uhr in der Nacht, und während ein unerträglicher Durchfall Wannes an die Kloschüssel fesselte, dachte Martine an die Köpfe toter Hirsche und Wildschweine, die sie den ganzen Abend im Speisesaal strafend angestarrt hatten mit ihren gläsernen Augen. Sie war von sich selbst überrascht, dass sie die – allerdings köstlichen – Fleischgerichte so sehr hatte genießen können, an einem Ort, wo deren präparierte sterbliche Hüllen ringsum die Kamine zierten. Und nicht nur die Kamine; bis auf die Gästezimmer hing das ganze Hotel voll ausgestopfter Tiere. Jeder Quadratmeter Wand trug einen abgeschlagenen, auf einem Brett befestigten Kopf, als handelte es sich um eine Medaille oder ein Gütesiegel, mit denen die Direktion unterstreichen wollte, dass alles, was hier auf den Tellern in Seen von Soße trieb, aus den unberührten Wäldern der Umgebung stammte, die von keinem Partikelchen Abgas jemals verpestet worden waren. Als sollte damit gesagt werden, man befinde sich in einem Land, wo Kugeln billiger seien als Tapete.
    Etwas in Martine jedoch raunte, dass so viel Tod an den Wänden nicht echt, nicht authentisch sein konnte. Wenn die Touristensaison vorbei wäre, würde die Dekoration bestimmt weggepackt, in dasselbe muffige Loch, wo im Sommer die Christbaumkugeln vor sich hin staubten. Obwohl es ihr sogar gefiel, fand Martine diesen ganzen Röhrender-Hirsch-Kitsch um sich herum doch auch unglaubwürdig. Hätte man ihr erzählt, der Schwarzwald sei ein Puppenhaus, das in den Urlaubsmonaten aufgebaut werde, um ausländische Touristen zu betören, sie hätte es geglaubt. Die Rehe über Tisch vier waren Teil einer Inszenierung, in die auch Trolle und Kobolde gepasst hätten.
    Aber – der Aufbau des hier Erzählten will es, dass nun ein großes »Aber« erfolgt – Martines erstes Abendessen im Knusperhaus hatte ihr vorzüglich geschmeckt. So sehr, dass ihr beim Gedanken daran schon wieder das Wasser im Munde zusammenlief, was einigermaßen verwunderlich war, da Wannes nur drei Meter von ihr entfernt vor sich hin stank wie ein Wiedehopf.
    Zunächst hatte es Suppe gegeben, eine Rinderbouillon mit Pfannkuchenstreifen, auf der wie Ölflecken göttliche Fettaugen trieben. Wannes konnte mit alldem nichts anfangen: Pfannkuchensuppe, wie weit wollte man die Infantilität in der Gastronomie hier noch treiben? Doch Martine hatte drei Teller verputzt und hätte gern noch einen vierten genommen, hätte sie nicht gewusst, dass sie noch drei Gänge vor sich hatten. Das gekochte Rindfleisch mit Meerrettichsoße und Kartoffeln hatte Martine ebenfalls herrlich gemundet. Ein normaler Mensch würde jetzt eventuell sagen: »Rindfleisch nach Rinderbouillon, das ist doch ein bisschen doppelt gemoppelt?«, aber Martine war eben auch kein normaler Mensch mehr, sobald sie eine Gabel in Händen hielt.
    Stöhnend vor Krämpfen verfluchte Wannes sämtliche Rinder, die sich je auf germanischem Grund schlachtreif gegrast hatten, und er verfluchte sich selbst, weil ein Urlaub im eigenen Land ihm nicht genügt hatte. Oder noch besser, ein Urlaub zu Hause, bei verrammelter Tür! Als hätte sein Schließmuskel sich in der

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