Die Letzte Liebe Meiner Mutter
Rinderbouillon aufgelöst, schoss die wässrige Brühe aus ihm heraus, gefolgt von schmerzhaften Krämpfen, dem Drang, achtern noch mehr auszuspucken, doch worauf einfach nichts kam. Würgen mit dem Anus, so müsste man dieses Gefühl einem Hausarzt beschreiben. Ein Mensch, der Leere schiss. Und das bis fünf Uhr morgens; es wurde schon hell, der Stieglitz flog schon zwitschernd dem Morgen entgegen.
Für Martine war klar, dass der wässrige Stuhlgang ihres Geliebten unmöglich an dem edlen Fleisch liegen konnte, das ihnen am Abend kredenzt worden war. Der Salat, okay, der war nicht besonders gewesen, und erfahrene Reisende bestätigten das: Deutsche konnten keinen Salat zubereiten! Seltsamerweise versuchten sie es störrisch immer wieder und setzten einem zu jedem Gericht im Restaurant ein Schälchen voll vor. Erstaunlich für ein Volk, das lange genug vor einem Vegetarier den rechten Arm hatte heben müssen.
»Das«, so hatte der Liebhaber von Freddy Brecks Liedkunst über seinem Teller geschnaubt, als die heikle Frage »Die Deutschen und der Salat« debattiert wurde, »war Hitlers größter taktischer Fehler! Nicht Stalingrad, sondern sein Ekel vor Fleisch! Eine Rasse von Karnivoren im Allgemeinen und von Wurstessern im Besonderen musste doch auf Dauer an jemandem zweifeln, der im Herzen ein General war, aber bei Tisch ein Karnickel!«
Mit anderen Worten, man wusste nicht recht, wie man die deutsche Unfähigkeit, einen Salat hinzubekommen, interpretieren sollte. Möglicherweise war Absicht im Spiel, taten sie bewusst allerlei fiese Kräuter hinein, um sich an dem beschnauzten Monstrum zu rächen, das ihnen die Vergangenheit so sehr vergällt hatte. Oder war es doch ein missglückter Versuch, andere Nationen zu kopieren? Die Diskussion war noch immer in vollem Gang, als die letzte Kartoffel mit einem Schluck Weißburgunder hinuntergespült wurde und der Musiker sich das Akkordeon vor den Bauch schnallte, bereit, mit »Zwei kleine Italiener« zum unterhaltsamen Teil des Abends überzuleiten. Da hatte Wannes schon das Rumoren in seinen Eingeweiden verspürt und einen leisen Wind fahren lassen müssen, wobei er das dumpfe Gefühl hatte, nicht nur Luft sei dabei nach draußen gekommen. Und die Kirschtorte sollte erst noch aufgetragen werden.
Obwohl Martine vom Salat also auch nicht begeistert gewesen war – an dem Durchfall konnte er nicht schuld sein, dazu war er doch noch zu gut gewesen.
»Du hättest einen Schnaps trinken sollen! Hat der Reiseleiter nicht gesagt, Schnaps fördert die Verdauung?«
Doch eigentlich sah Wannes nicht aus, als müsse seine Verdauung noch besonders gefördert werden. Er wirkte wie eine Leiche auf Urlaub und klang auch so.
Das Bad war gefliest, so dass jeder donnernde Furz unendlich verstärkt wurde. Als wollten die Wände sich diese Klänge in einem fort zuwerfen, sie widerhallen lassen bis ans Ende der Welt.
Jetzt wusste es Martine! Während sie in ihrem Medizinlexikon beim D von »Durchfall« nachschlug, sah sie das Licht! Ihr analytischer Geist hatte die Ursache von Wannes’ Dünnpfiff erkannt! Die verdammten Hamburger bei McDonald’s waren der Grund für diese Bescherung! Kein Zweifel, die amerikanischen Gummiklopse waren die Übeltäter. Das kam auch Wannes glaubwürdig vor. Außerdem befreite es ihn in den kommenden Tagen von Argwohn dem hiesigen Essen gegenüber.
Als treu ergebene Geliebte, die sie war, warf Martine sich ihren Bademantel über und brachte Wannes ein Buch von Konsalik ins Bad.
Auch Jimmy lag die ganze Zeit über wach, hielt sich jedoch wohlweislich die Decke über den Kopf. Damit niemand sehen konnte, wie er sich vor Lachen fast kringelte.
Kapitel 22
A m Frühstückstisch sah Jimmy sie wieder. Héloïse, in khakifarbenem Faltenrock und einem T-Shirt in reichlich psychedelischen Farben. Es dürfte das erste Mal in seinem Leben gewesen sein, dass Jimmy die Kleidung von irgendwem auffiel. Ihm, der seine Hemden immer noch falsch knöpfte und alles angezogen hätte, was die Mutter ihm morgens hinlegte, und wenn es grüne Strümpfe mit rosa Punkten gewesen wären. Dem es auch später nie auffallen würde – darauf konnte man wetten –, wenn seine Frau mit einer neuen Bluse nach Hause käme.
Schüchtern und mädchenscheu fürs Leben, hob er grüßend die Hand und wusste sich vor Glück kaum zu fassen, als Héloïse strahlend zurückwinkte.
Ein Mädchen, das sich die Zähne gut putzte, das sah man an ihrem Lächeln.
Gestern Abend im Speisesaal hatte er
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