Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
Unter seinem Namen kommt er nicht an sein Geld oder das seiner Mutter ran. August hat bestimmt alle Konten eingefroren. Also. Wer sind seine Freunde? An wen kann er sich wenden? Dort müssen wir hin.«
» Ja«, stimmte sie zu. » Ich hab auch die Facebook-Seite gecheckt, die er in den Niederlanden als Jin Ming hatte. Es waren nur zehn Freunde verzeichnet. Wahrscheinlich wollte er vor allem unauffällig bleiben.«
» Zehn ist eine überschaubare Zahl.«
» In den Niederlanden wird er im Zusammenhang mit dem Toten im Krankenhaus gesucht. Es müsste also schon ein sehr guter Freund sein.«
Ich wartete.
» Er dürfte vor allem mit zwei Studienkollegen engeren Kontakt gehabt haben, einem Niederländer und einem Chinesen. Ich hab ihre E-Mail-Accounts überprüft, und es sieht nicht so aus, als hätte er sie kontaktiert. Interessant waren aber die Fotos von Jack in Facebook. Hineingestellt hat sie ein Mädchen namens Frédérique Diagne, Ricki genannt. Sie stammt aus dem Senegal, lebt aber in Amsterdam. Er ist auf vierzehn ihrer Fotos zu sehen. Sonst nirgendwo.«
» Seine Freundin?«
» Schwer zu sagen. Das neueste Foto ist fünf Monate alt. Vielleicht hatten sie Streit. Ich hab mich in meinem Hacker-Netzwerk umgehört, und zwei Typen haben mir berichtet, dass es eine bekannte Copyright-Piratin in Amsterdam gibt. Aus dem Senegal. Ihr Hacker-Deckname lautet RT -Tavi.«
» Was bedeutet das?«
» Rikki-Tikki-Tavi. Aus einer Kipling-Geschichte über einen Mungo, der eine Familie vor den Angriffen von Königskobras rettet.«
Ich erinnerte mich. » Du glaubst, Ricki ist diese RT -Tavi.«
» Ja. Darum hab ich einen Typen dafür bezahlt, ihr Telefon zu checken. Erst vor einer Stunde erhielt sie einen Anruf aus New York.«
» Jack.«
» Gut möglich. Also überprüfte ich, wen der Anrufer sonst noch kontaktiert hat. Es sind nur vier Nummern.« Sie zeigte mir die Liste.
» Eine ist Augusts Handynummer.«
» Und das da ist die Central Park Conservancy.«
» Die zwei anderen?«
» Rickis Telefon in Amsterdam. Und ein Unbekannter.«
» Kannst du ihn nicht zurückverfolgen?«
» Nein. Aber es ist eine israelische Nummer.«
Israel. Zviman stammte aus Israel. Aber warum sollte Jack Ming die Leute anrufen, die seine Mutter getötet hatten?
Weil er vorhatte, diese Leute zu töten.
» Willst du Ming anrufen?«, fragte sie.
» Wozu? Um mich zu entschuldigen?« Ich starrte die israelische Nummer an.
Mir fiel nur ein guter Grund ein, warum er ihn angerufen haben konnte. Doch es war Selbstmord, es allein mit ihnen aufzunehmen.
» Wirklich interessant mit dem Central Park. Wozu ruft man eine Informationsstelle an?«
» Vielleicht, um zu erfahren, ob es in einem bestimmten Teil des Parks Veranstaltungen gibt.«
» Du glaubst, er will sich dort mit jemandem treffen.«
» Ja. Es ist im Freien und doch unter Leuten: Vielleicht fühlt er sich da einigermaßen sicher. Was er vorhat, weiß ich nicht. Aber ich weiß, was er morgen tatsächlich tun wird. Er weiß es noch nicht. Ich schon.«
Ich holte mir noch einmal die Sicherheitsaufnahme von dem Mann am Ecktisch auf den Bildschirm und machte einen Screenshot. August hatte kein eigenes Telefon; bei Special Projects kann das Telefon jedes Einzelnen von der Gruppe abgehört werden. Er hatte seines an Braun zurückgegeben. Ich konnte ihm das Bild erst morgen schicken, wenn er sich ein neues Handy besorgt hatte.
Ich stand auf und zuckte zusammen. Mir tat alles weh. Und ich wollte nicht, dass Leonie weiter über diese Telefonnummer nachdachte.
» Du hast Schmerzen im Arm. Ich bring dir eine Tablette.«
» Ich brauche einen klaren Kopf. Ich muss bereit sein.«
» Eine verträgst du schon. Hier.«
Widerwillig nahm ich die Tablette und schluckte sie mit kaltem Wasser hinunter.
» Schlaf erst mal.«
Ich zog mich aus, schlüpfte in eine Pyjamahose, die ich mir aus einer Kommode holte, und legte mich aufs Bett. Ich schloss die Augen. Sie hatte erstaunlich gelassen darauf reagiert, dass ich ihren richtigen Namen kannte. Aber was zählte das alles, wenn unsere Kinder in Gefahr waren? Ich blickte durch die Schlafzimmertür und sah sie am Schreibtisch sitzen. Vor einem Bild von Taylor. Einem abgegriffenen Foto, dem man ansah, dass sie es immer bei sich trug.
Ich schloss die Augen. Dunkelheit senkte sich über mich.
Leonie weckte mich, als sie neben mir ins Bett schlüpfte. Ich hob ruckartig den Kopf.
» Ist das okay?«, fragte sie. » Auf der Couch kann ich nicht schlafen.«
»
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