Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
viele Teile, die Jack nicht zu einem Ganzen zusammenfügen konnte.
Es folgten Bilder, die wie Passfotos aussahen, ein Dutzend Leute, mit einem kleinen Vermerk in der linken oberen Ecke: eliminiert, und ein Datum.
Leute, die von Novem Soles ermordet worden waren? Er blätterte die Fotos durch: Auch diese Leute waren ihm unbekannt. Namen standen keine dabei.
Als Nächstes folgten Tabellen mit gekauften Waren oder Dienstleistungen und dem Preis: Büromiete in London, Kauf von C-4 für die Londoner Bombe, Bestechungsgeld für Polizeiinspektor in Oslo. Jack hatte das Gefühl, dass sich ihm der Magen umdrehte.
Das hatte sich Nic also mit seinen Programmen verschafft: brisante Informationen über die Finanzmärkte, Firmengeheimnisse, eine Spur von Blutgeld für Auftragsmorde, Druckmittel für mögliche Erpressung. Wenn das die Mittel waren, mit denen Novem Soles Leute in wichtigen Positionen gefügig machte, dann konnte man sich vorstellen, welche Absichten und Ziele die Gruppe verfolgte.
Er ging die Liste der gestohlenen Informationen durch, ohne dass sich ein Gesamtbild formte. Vielleicht ging es wirklich nur darum, hochrangige Leute mit Geheimnissen zu erpressen und zu manipulieren. Auf den nächsten Seiten fanden sich wieder Codes mit Zahlen, die ihm nichts sagten.
Trotzdem war dieses Buch sein Schutzschild und sein Schwert. Er verstand zwar nicht ganz, was all die Informationen bedeuteten, doch er kannte jemanden, der sie entschlüsseln konnte.
Es gab ein DSL -Modem in der Wohnung. Er sah erleichtert mehrere leuchtende LED s– und ein loses Netzwerkkabel. Rasch schloss er es an das MacBook Pro an, das Ricki ihm geliehen hatte, und aktivierte das Anonymisierprogramm. Zur CIA durchzudringen war nicht so einfach. Er würde eine auffällige Nachricht schreiben müssen, um ihre Aufmerksamkeit zu wecken und aus der Masse der verrückten Typen herauszuragen, die hinter jeder Ecke eine Verschwörung witterten und ihren Verdacht der Agency mitteilten. Er musste auf der Liste der eintreffenden E-Mails ganz oben landen. Die Website der CIA bot ein Standard-E-Mail-Formular für Leute, die der Agency eine Information oder einen Kommentar zukommen lassen wollten.
Er tippte folgende Nachricht:
Ich habe brisante Informationen für einen CIA -Agenten namens August, der vor einigen Wochen in Amsterdam war. Ich biete handfeste Hinweise auf die Gruppe Novem Soles. Dieses Angebot gilt nur drei Tage.
Er fügte die Nummer des Prepaid-Handys hinzu, das er vorher gekauft hatte. Seinen Namen gab er nicht an.
Er las die Nachricht noch einmal durch. Allzu sehr durfte er nicht ins Detail gehen, weil August sonst draufkommen würde, wer er war. Sein Angebot klang verlockend genug. Er würde nur mit August sprechen. August hatte ihn vor schlimmeren Verletzungen bewahrt. Er war dafür eingetreten, ihn im Van zu lassen, damit ihm nichts passierte.
Jack schickte die Nachricht ab. Er stand auf und klappte den Laptop zu.
» Mrs. ten Boom, wir sollten jetzt gehen.«
» Nein. Nic ist bald da, nicht?« Sie war wieder betrunken und hatte ein schiefes Lächeln im Gesicht. Erneut schenkte sie sich aus einer Whiskyflasche ein. » Ich warte auf ihn.«
O Gott, dachte Jack. Jetzt, da er die CIA kontaktiert hatte, musste er schnell sein und konnte sich nicht um die betrunkene alte Frau kümmern– doch er wollte sie auch nicht zurücklassen, hier, wo ihr Sohn seine schlimmsten Verbrechen begangen hatte.
» Fahren wir zurück in Ihre Wohnung, Mrs. ten Boom.«
Sie schenkte sich ein weiteres Mal ein und legte sich auf die Couch. » Ich will hierbleiben. Bitte.«
Er sah sie an und überlegte. » Auf Wiedersehen«, sagte er schließlich. » Danke für Ihre Hilfe.«
Sie war bereits eingeschlafen und träumte vielleicht von ihrem Sohn.
Jack Ming stolperte die dunkle Treppe hinunter und drückte das wichtigste Buch der Welt an seine Brust.
10
NoLita, Manhattan
August Holdwine fuhr mit der U-Bahn in das NoLita-Viertel oder North of Little Italy. Er schritt unter dem strahlenden Morgenhimmel zu dem Safehouse, das sich über einer Kleiderboutique nahe der Mott Street befand. Als er eintrat, wartete sein Beschatterteam bereits auf ihn. Der Typ, den Sam überwältigt hatte, saß an dem Holztisch und trank mürrisch einen Caffè Latte, ohne das kubanische Gebäck anzurühren, das sie in Augusts Lieblingscafé um die Ecke gekauft hatten. Stattdessen hämmerte er auf die Tastatur eines Laptops ein.
» Schreibst du einen Bericht darüber, wie du gestern
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