Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
doch der Beobachter war wenig beeindruckt. Er wusste, er könnte mehr aus diesem Restaurant machen, und hatte auch schon überlegt, ob er es kaufen sollte. Es war eine reizvolle Vorstellung, ein Restaurant zu führen, eine viel einfachere Aufgabe.
Er setzte sich im morgendlichen Dunst auf die Veranda und las das Protokoll des Gesprächs zwischen der CIA -Zentrale in Langley und August Holdwine. Jemand hatte Informationen über Novem Soles zu verkaufen, jemand, der sich aus Amsterdam an die Central Intelligence Agency gewandt hatte, um ihr ein Angebot zu unterbreiten.
Er spürte, wie das Adrenalin in seinen Adern pulsierte.
Der Beobachter klappte das Handy zu. Jetzt muss Sam Capra ran, dachte er. Im nächsten Augenblick klingelte es erneut. Er las die Nummer auf dem Display und meldete sich.
» Bonjour«, sagte eine Frauenstimme. » Wir haben ein Problem.«
12
Greenwich Village, New York
Ricardo Braun kehrte erst im Laufe des Nachmittags aus Langley nach New York zurück. In seinem Büro in der Special-Projects-Abteilung roch es nach feinen Zigarren und exquisitem Kaffee. August dachte sich, dass er auf den Kaffee verzichten sollte; er fühlte sich auch so schon nervös genug. Doch man sagte nicht einfach Nein zu einer Legende, und Braun war eine Legende. Also setzte sich August auf den schweren ledernen Lehnstuhl, mit einer duftenden Tasse des feinen brasilianischen Kaffees. Es war erst das zweite Mal, dass er dieses Büro betrat.
Ricardo Braun hatte sich frühzeitig pensionieren lassen und war erst vor wenigen Wochen in den Schoß der Agency zurückgekehrt, als Special Projects nach den Pannen der vergangenen Monate jemanden brauchte, der sie aus der Krise führte. August kam sich neben ihm vor wie ein Ochse. Braun war extrem schlank, kahlköpfig und hatte die drahtige Statur eines Läufers. Er war Ende fünfzig, hatte graue Augen und strahlte eine unerschütterliche Selbstsicherheit aus. Er trug eine schwarze Hose und ein makelloses weißes Hemd, und er besaß nach Augusts Einschätzung die aufwendigste Kaffeemaschine der Welt. Als er sich von dem Gerät abwandte, hielt er eine Tasse mit einem Gebräu in der Hand, das einen unglaublich würzigen Duft verströmte.
» Was soll ich tun?«, fragte August.
» Welch eine Frage: Stellen Sie dem Kerl einen Scheck aus«, antwortete Braun. » Muss man euch denn alles sagen?«
August wusste, dass es ein Scherz war, und lächelte. » So was darf ich nicht entscheiden. Aber Sie.«
» Wir werden dem Kerl keine zehn Millionen Dollar zahlen«, sagte Ricardo Braun. » Was ist, wenn seine Informationen völlig wertlos sind? Und wenn er verschwindet, bevor wir’s nachgeprüft haben.« Er nahm einen Schluck Kaffee.
» Er kann nicht verschwinden, er sagt, er will Schutz von uns.«
» Genau das würde ich sagen, wenn ich vorhätte zu verschwinden«, erwiderte Braun.
» Er wird doch nicht glauben, dass er sich vor uns verstecken kann.«
» Novem Soles hält sich jedenfalls gut versteckt. Was wissen wir denn wirklich über sie? Nichts. Alle Hinweise führen in eine Sackgasse.« Braun betrachtete die Tasse Kaffee, die er vor sich stehen hatte, rührte sie jedoch nicht an.
» Soll ich eine Akte anlegen?« Die Special-Projects-Abteilung operierte nach ihren eigenen Spielregeln, unabhängig von der CIA -Bürokratie. Dennoch wurden über alle Aktivitäten Aufzeichnungen geführt, wenn auch nur für den internen Gebrauch. Special Projects hatte Zugang zu den Datenbanken der Company, doch umgekehrt galt das nicht. Man verfügte über ein eigenes Computernetzwerk und war sogar in der Lage, auf Datenbanken von Polizei und Privatfirmen zuzugreifen, mitunter illegal. Dass man sich nicht immer starr an die Regeln hielt, verlieh der Abteilung außergewöhnliche Möglichkeiten.
» Ja, tun Sie das. Aber der Company berichten wir noch nichts.« Er stand auf und trat ans Fenster. » Diese Gruppe hat die Company schon einmal infiltriert, sogar mehr als einmal, durch Bestechung. Zwar nicht während ich noch hier war, aber ich hab mein tägliches Golfspiel und das Angeln nicht aufgegeben, um zu scheitern.« Er drehte sich mit strengem Blick zu August um. » Wir werden nicht irgendwelchen Verrätern einen Hinweis geben, die nur darauf warten, dass das Stichwort › Novem Soles‹ in einer E-Mail oder einem Gespräch fällt. Die Sache bleibt erst mal unter uns. Finden Sie diesen Informanten, bringen Sie ihn her, dann sehen wir uns an, was er hat.« Braun stockte einen Augenblick. » Sind Sie
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