Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Minute: Thriller (German Edition)

Die letzte Minute: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Minute: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Abbott
Vom Netzwerk:
Mutter erwischt.«
    » Ich hab sein Zimmer gesehen. Er ist ein ganz normaler Junge.«
    » Das zählt für uns nicht. Hast du etwa Mitleid mit ihm?«
    » Meine Gefühle sind meine Sache, danke«, erwiderte ich. Ich hätte den Mund halten sollen. Wenn ich Mitgefühl für unsere Zielperson zeigte, verstärkte ich Leonies Misstrauen mir gegenüber.
    » Ich hab mal einen Mann gekannt, der Leute getötet hat. Es hat ihm nie auch nur das Geringste ausgemacht.«
    Ich schlug ein Auge auf. » Hast du ihm geholfen zu verschwinden? Ihm eine neue Identität gegeben?«
    » Nein. Ich hab mir selbst eine verschafft, um von ihm wegzukommen.« Sie kauerte am Fenster, die Knie zum Kinn hochgezogen. » Ich verließ ihn, weil er keine Kinder wollte. Es hätte sich nicht mit seiner… Arbeit vertragen.«
    » Leonie.« Ich fragte mich, ob das ihr echter Name war. Es spielte keine Rolle. Ich würde sie nie wiedersehen, wenn das hier vorbei war.
    » Verstehst du, ich hätte einen Killer als Vater meiner Kinder haben können. Wirklich schlau. Das wär vielleicht lustig gewesen, wenn er mit anderen über seinen Beruf geplaudert hätte.«
    » Leonie, ist schon okay.« Ich hatte getötet, und zwar als Vater. Worüber sie sprach, war nicht das Gleiche. Oder doch? Ja, ab morgen würde ich auch ein kaltblütiger Mörder sein. Damit ich Vater sein konnte. Was für eine kranke Welt.
    Sie strich sich eine rotbraune Haarlocke aus dem Gesicht und kam zu mir ans Bett. Sie legte ihre Fingerspitzen an meine Wange und begutachtete die kleinen Wunden. » Du hast ein paar Schnitte von dem Stein.«
    » Das verheilt schon wieder.«
    Sie ließ ihre Hand an meinem Gesicht.
    » Du musst Jack töten, Sam. Du darfst kein Mitleid mit ihm haben. Keine Gefühle. Du musst ihn einfach nur töten. Es wird… nicht so schwer sein.«
    Sie brauchte es ja nicht zu tun. Ich schloss die Augen und sah Jack auf den Bildern in seinem Zimmer. Die Arme der anderen um seine schmalen Schultern, seine Kumpel beschützten den liebenswerten Sonderling. Die Bücher, die er liebte, der kleine Junge, der mit Zahnlücke in die Kamera lächelte.
    Für mich musste er ein gesichtsloser Fremder bleiben, doch seine Mutter hatte im Sterben meine Hand gehalten.
    » Ich rede Scheiße«, sagte Leonie. » Es ist nie einfach, stimmt’s?«
    Sie ließ ihre Hand von meiner Wange zur Stirn wandern und strich mir durchs Haar.
    Was soll das?, dachte ich. Sehr intelligente Frage.
    » Du musst deine Frau wirklich geliebt haben.«
    Eine seltsame Bemerkung. Ich öffnete die Augen. » Ich möchte nicht über sie sprechen.«
    » Anna hat mir erzählt, dass du deine Frau gesucht hast… sie wollte damit auf ihre Art ausdrücken, dass du ein anständiger Mensch bist. Anna wollte nicht, dass ich Angst davor habe, mit dir zusammenzuarbeiten.«
    Angst? Ich war doch eigentlich immer der gute Kerl. Als Kind von zwei engagierten Weltverbesserern, die in einer christlichen Hilfsorganisation arbeiteten, als netter Bursche, der in Harvard studierte, der so schlau war, nicht nach Afghanistan zu gehen wie sein Bruder, und der deshalb nicht zusammen mit seinem Freund ermordet wurde, der Junge, der bei der CIA zum Mann reifte, vom Drang nach Rache angetrieben und dabei doch (so hoffte ich) von Gerechtigkeitsempfinden geleitet. Und was war ich jetzt? Jemand, den man des Verrates beschuldigt hatte, weil ich die falsche Frau geheiratet hatte (eine wirkliche Verräterin), und der für diese ehrwürdige Behörde immer noch als unzuverlässig galt.
    Der Tod ist schon etwas Seltsames. Der Chauffeur war scheußlich gestorben: Könnte man sich die Todesart aussuchen, so würde sich kaum einer dafür entscheiden, aufgespießt zu werden. Mrs. Ming wiederum war mit einer schrecklichen Ungewissheit gestorben. Leonie und ich waren knapp am Tod vorbeigegangen. Der Tod verstärkt in uns den Wunsch zu leben und die einfachen Dinge zu genießen: ein gutes Essen, den Atem in den Lungen zu spüren, die Wärme eines anderen Menschen.
    Leonie beugte sich zu mir und küsste meine zerschundenen Lippen.
    Nach Lucy hatte mich noch keine Frau geküsst. Ich erstarrte für einen Moment. Ich überschritt eine Grenze, die ich schon vorher wahrgenommen hatte, weil ich wusste, dass Lucy so gut wie tot war. Und selbst wenn sie ins Leben zurückkehren würde, hätte ich sie nicht mehr als Frau gewollt. Ich spürte, wie ich innerlich auftaute.
    Mein ganzes Gesicht schmerzte, doch ich drückte meine Lippen auf ihre.
    Der Kuss wurde nicht leidenschaftlicher,

Weitere Kostenlose Bücher