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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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zu Hause?«
    Warum war er eigentlich so erstaunt? Wahrscheinlich hatte ihn irgendeine Intelligenzform seit dem Start von Ganymed überwacht und ihm die Landung gestattet. Er hätte auf Ted Khan hören sollen.
    »Dave«, sagte er langsam, »bist du es wirklich?«
    Wer soll es denn sonst sein? dachte er bei sich. Trotzdem hatte die Frage ihren Sinn. Die Stimme aus dem kleinen Lautsprecher am Armaturenbrett der Falcon hatte so eigenartig mechanisch und unpersönlich geklungen.
    »Ja, Frank. Ich bin Dave.«
    Eine winzige Pause trat ein, dann fuhr die gleiche Stimme genau im gleichen Tonfall fort:
    »Hallo, Frank. Hier ist HAL.«
     
    MISS PRINGLE
    AUFZEICHNUNG
    Indra, Dim – ich bin nur froh, daß ich alles festgehalten habe, ihr würdet mir sonst kein Wort glauben …
    Wahrscheinlich stehe ich noch unter Schock. Erstens, wie soll ich mit jemandem umgehen, der mich töten wollte – der mich getötet hat! – auch wenn es tausend Jahre her ist! Wobei ich heute allerdings begreife, daß es nicht HALs Schuld war. Niemand war schuld daran. Ich kenne da eine Maxime, die sich schon oft bewährt hat: ›Halte nie für böse Absicht, was lediglich Unfähigkeit ist.‹ Wie soll ich auf einen Haufen Programmierer wütend sein, die ich gar nicht kenne, und die seit Jahrhunderten tot sind?
    Nur gut, daß die Aufzeichnung chiffriert ist, ich weiß nämlich nicht, wie man sie verwerten sollte. Womöglich ist vieles, was ich euch erzähle, vollkommener Unsinn. Ich leide schon jetzt unter Informationsüberlastung und mußte Dave bitten, sich eine Weile zurückzuziehen – nachdem ich zuerst Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um ihn zu finden! Aber ich glaube nicht, daß er gekränkt ist: ich weiß ja nicht einmal, ob er überhaupt noch so etwas wie Gefühle hat …
    Was er ist – gute Frage! Er ist tatsächlich Dave Bowman, nur wurde das, was ihn zum Menschen macht, zum größten Teil eliminiert – wie – äh – wie wenn man ein Buch oder einen technischen Aufsatz zusammenfaßt. Versteht ihr – ein solcher Abriß kann alle wichtigen Informationen enthalten – aber keine Spur von der Persönlichkeit des Autors. Trotzdem gab es Augenblicke, in denen ich glaubte, noch etwas von dem alten Dave zu spüren. Dabei ginge es sicher zu weit zu sagen, er habe sich über das Wiedersehen gefreut – maßvolle Genugtuung wäre wohl eher der richtige Ausdruck … Ich selbst bin immer noch völlig verwirrt. Als hätte ich nach langer Trennung einen alten Freund wiedergetroffen und festgestellt, daß er ein ganz anderer geworden ist. Immerhin sind tausend Jahre vergangen – und wer weiß, was er inzwischen alles erlebt hat? Wobei er, wie ihr bald sehen werdet, durchaus versucht, einiges davon mit mir zu teilen.
    Und HAL – auch er ist da, keine Frage. Meistens kann ich nicht auseinanderhalten, wer von den beiden mit mir spricht. Gibt es in der medizinischen Literatur nicht das Syndrom der Multiplen Persönlichkeitsspaltung? Vielleicht geht das hier in die gleiche Richtung.
    Ich habe ihn gefragt, was sie beide zu dem gemacht hat, was sie sind, und er – sie – verdammt, HALman! – hat versucht, es mir zu erklären. Ich will es wiederholen – mag sein, daß ich nicht alles richtig wiedergebe, jedenfalls ist es die einzige, halbwegs plausible Hypothese, die ich derzeit habe.
    Der Monolith – in seinen verschiedenen Erscheinungsformen – ist natürlich der Schlüssel – nein, das ist das falsche Wort – hat irgend jemand nicht einmal gesagt, er sei das kosmische Gegenstück zum guten, alten Schweizer Offiziersmesser? Ich habe übrigens festgestellt, daß es die Dinger immer noch gibt, obwohl die Schweiz und ihr Bundesheer schon vor Jahrhunderten verschwunden sind. Er ist ein Allzweckgerät, das alles kann, was es will. Oder wozu es programmiert wurde …
    Damals, vor vier Millionen Jahren in Afrika, hat er uns besagten Tritt in den evolutionären Hintern gegeben, ob das nun gut für uns war oder nicht. Sein Bruder auf dem Mond hat dann so lange gewartet, bis wir aus der Wiege gekrochen waren. Das hatten wir ja bereits erraten, und Dave hat es bestätigt.
    Ich sagte, er hat kaum noch menschliche Empfindungen, aber er ist immer noch neugierig – er will lernen. Und dazu hatte er eine sagenhafte Gelegenheit!
    Als der Jupiter-Monolith ihn absorbierte – ein besseres Wort fällt mir nicht ein – hat er sozusagen sein blaues Wunder erlebt. Der Monolith hat Dave zwar benützt – sowohl als menschliches Meerschweinchen wie als Sonde

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