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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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zur Erforschung der Erde –, aber er wurde seinerseits von Dave ausgehorcht. Mit HALs Hilfe – und wer verstünde einen Supercomputer besser als ein Artgenosse? – hat Dave die Speicher erforscht und sich bemüht, den Zweck dieses Wunderwerks zu ergründen.
    Was nun kommt, ist schwer zu glauben. Der Monolith ist eine Maschine mit geradezu phantastischen Fähigkeiten – man denke nur daran, was er mit dem Jupiter angestellt hat! –, aber auch nicht mehr als das. Er läuft auf Automatik; er hat kein Bewußtsein. Ich hatte mir einmal vorgestellt, ich müßte gegen die Große Mauer treten und rufen: »Ist da jemand?« Die richtige Antwort hätte lauten müssen – nein, nur Dave und HAL …
    Schlimmer noch, es könnte sein, daß im Laufe der Zeit einige seiner Systeme ausgefallen sind; Dave hat sogar angedeutet, er sei in grundlegenden Bereichen geradezu vertrottelt! Vielleicht hat man ihn zu lange sich selbst überlassen – und die nächste Inspektion ist längst überfällig.
    Außerdem glaubt Dave, dem Monolithen sei mindestens eine Fehleinschätzung unterlaufen. Vielleicht ist das nicht das richtige Wort – es kann auch eine sehr bewußte, sorgfältig überlegte Maßnahme gewesen sein.
    Jedenfalls war sie – nun, ungeheuerlich, und sie hatte erschreckende Konsequenzen. Zum Glück habe ich einen Beweis dafür, so könnt ihr euch selbst ein Bild machen. Ja, es war vor tausend Jahren, damals, als die
Leonow
ihre Jupitermission flog. Und die ganze Zeit über hat niemand Verdacht geschöpft … Ich bin euch wirklich dankbar für den Zerebralhelm. Unentbehrlich war er natürlich von Anfang an – ich weiß gar nicht mehr, wie ich früher ohne ihn zurechtgekommen bin – doch jetzt leistet er etwas, wofür er nicht vorgesehen ist. Und er macht seine Sache ausgezeichnet.
    HALman brauchte etwa zehn Minuten, um herauszufinden, wie er funktioniert, und um ein Interface einzurichten. Jetzt stehen wir in telepathischer Verbindung – was für mich ganz schön anstrengend ist, kann ich euch sagen. Immer wieder muß ich die beiden bitten, ihr Tempo zu reduzieren und wie mit einem Kleinkind zu sprechen. Oder vielmehr zu denken …
    Ich weiß nicht, wie gut sich das Folgende, eine tausend Jahre alte Aufzeichnung von Daves eigenen Erlebnissen, übertragen läßt. Sie war im riesigen Speicher des Monolithen abgelegt, Dave hat sie ausfindig gemacht und – fragt mich nicht, wie – in meinen Zerebralhelm überspielt. Dann wurde sie zur Zentralstation Ganymed gesendet und schließlich zu euch abgestrahlt. Puh. Hoffentlich bekommt ihr beim Herunterladen keine Kopfschmerzen.
    Ich übergebe jetzt an Dave Bowman auf dem Jupiter, zu Beginn des 21. Jahrhunderts …

30
Raumlandschaft aus Gas und Schaum
    Die Millionen Kilometer langen Ranken magnetischer Kraft, die explodierenden Funkwellen, die Geysire elektrifizierten Plasmas, die größer waren als der Planet Erde – all das war für ihn so wirklich und so deutlich sichtbar wie die Wolken, die den Planeten mit prächtigen, vielfarbigen Streifen versahen. Er durchschaute das komplexe Muster ihrer Beziehungen zueinander und erkannte, daß der Jupiter viel größere Wunder barg, als irgend jemand vermutet hätte.
    Noch während er durch das brüllende Herz des Großen Roten Flecks stürzte, während die Blitze seiner Kontinente umspannenden Gewitter rings um ihn detonierten, wußte er, warum dieser Fleck Jahrhunderte überdauert hatte, obwohl er aus Gasen bestand, die viel weniger Substanz besaßen als jene, die die Hurrikane auf der Erde bildeten. Das dünne Kreischen des Wasserstoffwindes verklang, als er in die ruhigeren Tiefen glitt, und ein Hagel wächserner Schneeflocken – ein Teil ballte sich schon zu kaum greifbaren Bergen aus Kohlenwasserstoffschaum zusammen – senkte sich von den Höhen auf ihn herab. Es war bereits warm genug für flüssiges Wasser, doch es gab keine Ozeane; die dünne Gasatmosphäre war zu schwach, um sie halten zu können.
    So glitt er durch eine Wolkenschicht nach der anderen, bis er in ein Gebiet von solcher Transparenz kam, daß sogar das menschliche Auge einen Bereich von mehr als tausend Quadratkilometern hätte überschauen können. Es war nur ein kleinerer Wirbel im gewaltigen Kreis des Großen Roten Flecks; und er enthielt ein Geheimnis, das die Menschen längst vermutet, aber nie bewiesen hatten.
    Am äußersten Rand der dahintreibenden Schaumberge bewegten sich Myriaden von kleinen, scharf umrissenen Wolken, alle etwa von gleicher Größe und

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