Die letzte Offenbarung
und kletterte bereits ins Freie.
»Was?« Amadeo blickte verwirrt zu Rebecca, doch die gab ihm einen Schubs, während der Mann in der Soutane von außen die Tür öffnete.
»Kommen Sie!«, befahl er. »Je eher wir hier weg sind, desto besser.«
Amadeo zwängte sich aus dem Wagen. Zu den Betonmauern hin war kaum genug Platz. Rebecca schob sich auf dem Rücksitz entlang und schlüpfte hinter ihm ebenfalls heraus. Auf ihrer Seite war das unmöglich — da brauste der Verkehr. Sofort schlug der commandante die Tür zu. Mit aufheulendem Motor fuhr der BMW an, schoss unter protestierendem Hupkonzert auf die rechte Spur und war Sekunden später verschwunden.
»Wo sind wir hier?«, brüllte Amadeo. Es war ein Mordsradau hier unten. Als Kinder hatten sie in seinem Dorf in den Abruzzen oft in einem leeren Getreidesilo gespielt und über den Hall gestaunt, den die Wände zurückwarfen. Hier war der Effekt ganz ähnlich — und wahrhaft ohrenbetäubend.
»Ich dachte, das wüssten Sie«, sagte der commandante . Er sprach nicht besonders laut, aber irgendwie bekam er es hin, dass Amadeo die Worte deutlich verstand. »In der Galleria Principe Amadeo Savoia-Aosta.«
»Das weiß ich!« Amadeo hatte zwar begriffen, dass es gar nicht notwendig war zu schreien, doch irgendwie...
Es war schrecklich eng hier und laut, und es gab keinen Ausweg. Die Nothaltebucht war zweieinhalb Meter breit und zehn Meter lang, nebenan toste der Verkehr, brüllte in seinen Ohren. Die Druckwellen der vorbeirasenden Fahrzeuge pressten ihn gegen die Wand. Die grellen Lichtkegel der Fahrzeuge, eben noch unsichtbar hinter den Betonwänden, im nächsten Moment waren sie direkt vor ihm. Stechendes Licht in seinen Augen. Er war blind, blind binnen Sekunden. Wie ein Kaninchen, das starr im Scheinwerferlicht eines heranrasenden Fahrzeugs verharrt, blickte er in die Lichter. Gelähmt. Es nahm ihm den Atem.
Auf einmal hatte er das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
Rebecca packte ihn wortlos am Arm und zog ihn mit sich. Undeutlich erkannte Amadeo, dass es im Beton eine Art Nische gab, eine Einbuchtung im Schatten, rückseitig hinter der Tunnelröhre. Eine Zuflucht! Eine letzte Zuflucht vor dem Lärm und der Enge und dem gleißenden Licht und...
Eine Stahltür.
Der commandante schob sich an ihnen vorbei, nestelte an seiner Robe und brachte etwas zum Vorschein — etwas, das nicht aussah wie ein Schlüssel. Es war ein flacher, runder Gegenstand, den er rasch über die metallene Oberfläche gleiten ließ. Einen Augenblick später bewegte sich die Tür. Der Mann in der Soutane zog sie auf, stieß zuerst Rebecca hindurch, dann Amadeo. Schließlich folgte er ihnen. Dröhnend fiel das stählerne Ungetüm ins Schloss und sperrte den Lärm aus.
Und mit ihm den letzten Schimmer von Licht.
Um sie her war Dunkelheit.
LXXI
»Es funktioniert tatsächlich«, murmelte der Mann in der Soutane.
Auf einmal tanzte der Strahl einer Taschenlampe vor ihnen durch die Dunkelheit.
»Was ist das?«, krächzte Amadeo.
»Eine Diode«, erwiderte der commandante , »eine neuartige Technologie, bei der eine reflektierende Metallschicht in die Chips eingebracht wird. Die Leuchtkraft lässt sich damit gegenüber herkömmlichen Dioden...«
»Was ist das für ein Gang?« Amadeo war mit den Nerven am Ende. Er war sich nicht sicher, ob der Mann ihn bewusst missverstehen wollte, doch es war ihm auch gleichgültig. Sie hatten die Enge der Galleria gegen einen stockdunklen Raum eingetauscht, einen unbekannten stockdunklen Raum. Dem Hall nach musste es sich um ein weiträumiges Gewölbe handeln, was jedoch nichts daran änderte, dass die Panik ihn noch immer in ihren Fängen hielt.
Der Lichtpunkt, den der Mann in der Soutane langsam über die Wände gleiten ließ, konnte der Dunkelheit nichts von ihren Schrecken nehmen. Sie wurde sogar noch gewaltiger, noch beherrschender durch die Anwesenheit dieses winzigen, verlorenen Lichtes.
»Wir befinden uns in einem geheimen Gang«, teilte der commandante mit.
»Ich bin zig Mal durch diesen Tunnel gefahren.« Gehetzt holte Amadeo Luft. »Ich habe nie etwas gesehen von einem geheimen Gang.«
»Ein geheimer Gang wäre ziemlich sinnlos, wenn jeder ihn sehen könnte«, stellte der andere sachlich fest.
Der Strahl der Taschenlampe glitt tiefer, beleuchtete einen Absatz, eine Betonkante. Dort ging es abwärts. Amadeo presste sich automatisch gegen die Wand, doch dann sah er, dass der Höhenunterschied kaum einen Meter betrug.
»Ich möchte Sie
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