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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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beim Hortulus und beim...« Er legte die Hand an die Stirn, als müsste ihm gleich wieder einfallen, an welchen Manuskripten sie außerdem gerade arbeiteten. In Wahrheit hatten sie sich natürlich ausschließlich mit den Papyri beschäftigt. Der Professor wusste gar nicht, welche Werke sonst noch auf Amadeo warteten.
    »Ich glaube, zuletzt waren Sie dabei, die Seiten des Physiologos durchzusehen«, half der junge Restaurator.
    »Ah, gewiss«, nickte Helmbrecht. »Isidor von Sevilla, ein guter Mann. Leider schon tot.«
    Der capo sah ihn etwas skeptisch an. »Seit über tausend Jahren, glaube ich.«
    »Gewiss«, murmelte der Professor, »gewiss. In unserer schnelllebigen Zeit. Aber wie sagten Sie noch, mein lieber Giorgio. Wie gestern. Genau, wie gestern. — Amadeo, wir müssen uns auch noch um mein Quartier kümmern.«
    Der capo biss auf der Stelle an. »Sie haben noch kein Hotel?«
    »Wir müssen dem Professor noch eine Unterkunft besorgen«, sagte Amadeo. »In der Nähe meiner Wohnung gibt es einige recht gute alberghi . Um diese Jahreszeit ist es nicht schwer, etwas zu finden.«
    »In Trastevere?« Giorgio di Tomasi starrte ihn an. Diesmal war Trastevere ohne jeden Zweifel etwas Unanständiges. »Unser Professor in einer Absteige auf der falschen Seite des Tibers? Unter gar keinen Umständen! Mein lieber Ingolfo, es wäre mir eine Ehre und ein großes, sehr großes Vergnügen, wenn Sie in meinem bescheidenen Heim im centro storico logieren würden. Bitte glauben Sie mir: Wir haben mehr als genug Platz, und Ihr Besuch wäre uns ein wahrhaftiges Vergnügen, nicht wahr, Chiara?«
    Seine Tochter neigte den Kopf mit einem Gesichtsausdruck, als könne sie die in Aussicht stehende Ehre noch gar nicht fassen.
    »Ich weiß gar nicht, wie...«, begann Helmbrecht.
    Der capo hob abwehrend die Hand: »Ein solcher Gast, mein lieber Ingolfo, ist uns Lohn genug.«
    Der Professor senkte das Haupt, beglückt von solcher Großherzigkeit.
XVIII
    »Und?« Amadeo hielt den Atem an. »Was erkennen Sie?«
    Helmbrecht brummte etwas und schob den Payrusstreifen unter der Tischlupe zurecht. Es war das unterste der wiederum elf Fragmente. Aus diesem Grunde hatten sie es auch besonders sorgfältig untersucht, als sie in das Sekretum zurückgekehrt waren, um sich von den Ergebnissen der Vitriolkur zu überzeugen. Sonst wäre ihnen die verwaschene Verfärbung nahe dem unteren Rand womöglich entgangen.
    »Könnte es eine natürliche Unreinheit sein?«, fragte Amadeo. »Eine Verdickung der Fasern?«
    »Undenkbar.« Der Professor schüttelte heftig den Kopf. »Dieser Papyrus ist eine Augusta, die beste Qualität. Da gibt es so was nicht. Außerdem hätten wir das vorher schon gesehen. Geben Sie mir noch mal den Pinsel.«
    Seufzend reichte Amadeo ihm Vitriol und Pinsel. Das hier war seine Entdeckung, nicht die des Professors. Natürlich, Helmbrecht kannte sich besser aus mit der Materie, deshalb hatte er ihn schließlich angerufen — nur wie hatte der alte Mann es angestellt, dass er jetzt die Untersuchung leitete und Amadeo ihm assistierte?
    Die Finger des Professors zitterten, als er mit der äußersten Pinselspitze noch ein wenig Vitriol an der betreffenden Stelle aufbrachte.
    Helmbrecht trat einen Schritt beiseite und betrachtete sein Werk. »Gut«, murmelte er. »Abwarten und caffè trinken. «
    »Wieder warten?«, fragte Amadeo. Ein kleines Teufelchen in seinem Ohr gab ihm die Worte ein. »Kann man es nicht beschleunigen? Mit einem Föhn vielleicht?«
    In Helmbrechts Augen flackerte Mordlust. »Wagen Sie es nicht, Amadeo! Denken Sie nicht einmal daran. Außerdem«, er beugte sich vor, »sehen Sie das?«, flüsterte er.
    »Da ist wirklich etwas!«, staunte Amadeo. »Das könnten Buchstaben sein.«
    »Mehr Licht, bitte!«, befahl Helmbrecht aufgeregt. »Mehr Licht!«
    Alter Spruch aus Weimar, dachte Amadeo. Goethes letzte Worte. Er hoffte nur, dass es Helmbrecht nicht genauso ging, denn der alte Mann hatte schon hektische Flecken auf den Wangen. Nun, wahrscheinlich sah er selbst nicht viel anders aus. Er drehte die in der Arbeitsfläche verborgene Leuchte bis zum Anschlag auf.
    Helmbrecht kniff die Augen zusammen. »Jetzt bin ich blind«, knurrte er.
    »Da steht etwas«, sagte Amadeo. »Ganz deutlich! Da sind Buchstaben. Noch kleiner als der Rest.«
    »Können Sie es lesen?«, fragte Helmbrecht und rieb sich die Augen.
    Amadeo zwinkerte. »Das ist ein Iota! Und das könnte ein Ny sein und ganz am Ende ein Tau. Weiter vorne auch

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