Die letzte Offenbarung
Amadeo. Sie sagen es. Ihre Höllenmaschine haben Sie dabei?«
»Der Fiat steht noch da, wo wir ihn geparkt haben«, erwiderte der Restaurator irritiert. »In Trastevere weiß man nie. Aber hier kommt nichts weg.«
»Ich meine die andere. Das Gerät, das Sie selbst nicht durchschauen, wenn Sie nicht mal wussten, was Sie mir eigentlich geschickt hatten.«
Amadeo zückte das telefonino . »Sie wollen jemanden anrufen?«
»Machen Sie Fotos davon«, Helmbrecht wies auf die Fragmente aus dem Seneca, »und schicken Sie mir die Daten an meine Mailadresse. Der liebe Giorgio bietet Gästezimmer mit Internetzugang. Es wäre eine Schande, das nicht zu nutzen. In Amerika wird es gerade erst Morgen.«
XXII
In Amerika wurde es Morgen, doch in der Hauptstadt der katholischen Christenheit raste die Furie des abendlichen Berufsverkehrs. Verglichen mit dieser Nemesis kam dem jungen Restaurator die morgendliche Fahrt nach Fiumicino im Nachhinein vor wie ein Ausflug in die Colli Albani. Und auch jetzt am Abend raste die Furie wieder in eine unerklärliche Richtung: nicht etwa aus der Stadt hinaus, sondern mitten hinein in das centro storico , wo, nicht weit von der Biblioteca Nazionale, seit den Tagen Pius' des Soundsovielten die Familie di Tomasi wohnte.
»So viele Menschen, und keiner kann Auto fahren!« Amadeo betätigte das wichtigste Bauteil des Fiat — die Hupe. »Warum fährt der nicht weiter!«
Helmbrecht reckte sich in seinem Sitz: »Weil der vor ihm nicht weiterfährt. Und der davor auch nicht, und der davor genauso wenig.«
»Ich sag's doch! Keiner kann Auto fahren!«
Der Wagen vor ihnen ruckte an, und es ging voran, mindestens anderthalb Meter. Ein schwarzer Maserati schoss rechts an ihm vorbei, dahinter ein Fiat — obendrein einer mit einer schwächeren Maschine als Amadeos Wagen. Beide ordneten sich vor ihm ein. Der Restaurator trommelte mit beiden Fäusten auf das Armaturenbrett.
»Ich war viel zu lange nicht in Rom«, sagte Helmbrecht mit verträumter Stimme. »Wie habe ich sie nur vermisst, die südländische Lebensfreude.«
So brauchten sie zwar eine Dreiviertelstunde für die drei Kilometer bis zum Haus des capo , doch Amadeo spürte, dass Helmbrecht jede einzelne Minute genoss. Zum ersten Mal seit dem Morgen war der Professor weitestgehend still. Letztlich war er auch nur ein tedesco mit all diesen sentimentalen Vorstellungen von Rom — und Amadeo war ein Römer. Wenn sich ein Fremder in die erstaunlichste Stadt des Universums verliebte, konnte er das gut verstehen. Daher vermied er eine Route, die sie unnötig durch jene Gebiete geführt hätte, denen der Brand vor einigen Monaten besonders übel mitgespielt hatte.
Schließlich hielt Amadeo in zweiter Reihe und half Helmbrecht mit seinem Gepäck, das lediglich aus einer Schultertasche und einem Rollwägelchen bestand.
Staunend blickte der Professor an der sechs- oder siebenstöckigen, stuckverzierten Fassade empor. »Das ist ja ein Palast!«
In Wahrheit sah die ganze Straße ähnlich aus: Es war einmal eine der besten Wohngegenden der Stadt gewesen, vor mehr als hundert Jahren, kurz nachdem die Savoyer Einzug gehalten und Rom zur Hauptstadt des Königreichs Italien gemacht hatten. Heute war der Glanz weitestgehend verblasst — allerdings nicht am Domizil des capo . Der Vatikan war nicht sein einziger Kunde, und Giorgio di Tomasi war kein armer Mann.
»Kommen Sie noch mit rein?«, fragte der Professor.
Amadeo winkte ab: »Ich bin seit heute früh auf den Beinen. Keine Ahnung, wie Sie das machen in Ihrem Alter, aber ich bin fertig mit der Welt für heute.«
»Altes Rezept, habe ich bei der Recherche zufällig gefunden: immer bei Vollmond das Herz einer Jungfrau.«
»Na dann, buon appetito« , entgegnete Amadeo grinsend.
Helmbrecht schnappte sich sein Köfferchen und zog es die steinernen Stufen empor, die im Stil des Risorgimento geformt waren wie ein griechischer Tempeleingang.
»Professor?«
Helmbrecht sah sich noch einmal um.
»Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Da nicht für«, lächelte der Ältere, und auf einmal sah er doch sehr müde aus. Dann wandte er sich um und drückte den Klingelknopf.
XXIII
Amadeo hatte seinem früheren Mentor nicht ganz die Wahrheit gesagt. Der Tag war anstrengend gewesen, in der Tat, doch er hatte an diesem Abend noch etwas vor. Berenice, die Tochter seines Vermieters, war in den vergangenen Wochen bedeutend zugänglicher geworden, und ihr Vater ahnte nicht, mit wem sie sich traf. Davon jedenfalls ging
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