Die letzte Praline
mochte ihren Vater ebenso wenig wie ich. Deshalb hatte sie auch keine Probleme mit mir, ganz im Gegenteil.« Van der Elst verschränkte abwehrend die Arme.
Adalbert beschloss, eine andere Taktik zu versuchen. »Es heißt, Beatrice Reekmans habe für Sie am Abend ihrer Ermordung spioniert.«
»Blödsinn! Behaupten die anderen das? Wahrscheinlich weil sie sich für deren Arbeit als Chocolatiers interessiert hat. Sie hat sich halt mit ihrer Rolle als Chocofee identifiziert. Auch von mir wollte sie alles haargenau wissen – vor allem die Tricks und Kniffe.«
Bietigheim glaubte ihm kein Wort. »Es gäbe sicherlich auch überhaupt keinen Grund, warum Beatrice Reekmans für Sie spioniert haben sollte?«
»Nein.«
»Geld zum Beispiel?«
»Quatsch.«
»Oder eine Erpressung?«
»Halten Sie mich etwa für kriminell?«
»Lassen Sie mich kurz nachdenken: Ja.« Der Professor stellte sich in Hohenhausens Chocolaterie. »Sie haben diese Skulptur mit dem Föhn angeschmolzen, sodass sie schon bei wenig Druck zusammenstürzt. Sie haben Wasser in die flüssige Kuvertüre gegeben, dabei wissen Sie, dass jeder Tropfen zur Verklumpung führt. Und Sie haben die Premium-Kuvertüre in der Conche durch minderwertige verunreinigt. Fräulein Hohenhausen wäre dies vermutlich nicht aufgefallen, mir selbst ist es nur deshalb nicht entgangen, weil ich Sie auf frischer Tat ertappt habe. Sie wollten Fräulein Hohenhausen aus dem Konzept bringen, sie in ihrem Selbstbewusstsein erschüttern. Sie würden wohl alles für die Weltmeisterschaft tun, nicht wahr? Was sind Sie nur für ein unmoralischer Mensch! Sie widern mich an! Das hat selbstverständlich eine Disqualifikation zur Folge.«
»Es ist gar nicht so, wie es aussieht!« Nun war es van der Elst, der sich Bietigheim in den Weg stellte. »Ich hatte mich nur im Zimmer vertan, die Tür stand offen, und da wollte ich mal gucken. Man ist ja neugierig.«
»Und dann dachten Sie: Manipuliere ich mal ein bisschen, bin ja ein Kollegenschwein.« Adalbert benutzte solch ein Schimpfwort äußerst selten, aber hier war es angebracht.
»Also bitte! Mit diesen Manipulationen habe ich gar nichts zu tun. Ich bin gerade erst hereingekommen, da war alles schon so. Der Föhn lag angeschaltet daneben. Ich wollte es noch retten! Für die Kollegin!«
Er log. Es war offensichtlich. Auf frischer Tat ertappt. Und doch: Aussage stand gegen Aussage.
Pit wurde wütend, stapfte auf ihn zu.
»Krümmen Sie mir auch nur einen Finger, Schokobär, und ich zeige Sie bei der Polizei an!« Van der Elst drückte sich trotz der Drohung leicht ängstlich mit hochgezogenen Schultern an ihm vorbei und öffnete die Zimmertür. Er blickte nochmals zum Professor. »Sie können mir gar nix, Moffe.«
»Oh doch.« Adalbert erhob den Zeigefinger seiner rechten Hand. »Ich kann Sie in der nächsten Runde ausscheiden lassen.«
»Das wird Madame Baels nicht zulassen. Und ebenso wenig Ihr Gewissen. Sie sind doch so überkorrekt, Herr Professor. Und ich bin ein grandioser Chocolatier. In der nächsten Runde werde ich so phantastisch sein, dass Sie mich auf gar keinen Fall werden ausscheiden lassen können. Es sei denn, Sie möchten einen Skandal und Ihren guten Ruf riskieren. Man sieht sich!«
Und weg war er.
Adalberts Ohren wurden tomatenrot. »Das!« Röcheln. »Bekommt.« Schnaufen. »Dieser!« Brodeln. »Mensch!« Dampfen. »Zurück!«
Pit war unheimlich froh, dass Adalbert ihn dazu abkommandiert hatte, Fred de Vaele, dem Meister der Schokoladenskulptur, auf den Zahn zu fühlen. Denn der Professor war seit dem Streit mit Franky van der Elst unausstehlich. Es fehlte nur noch, dass aus seinen Nüstern Rauch aufstieg oder er Flammen spie. Vermutlich allein eine Frage der Zeit. Ein sicherer Abstand war deshalb ratsam. Mindestens zehn Kilometer, besser ein ganzer Kontinent.
De Vaele lebte im Küstenort De Haan – genau wie die Familie Reekmans, das hatte der Professor ihm erzählt. De Vaeles Haus machte keinen exzentrischen Eindruck, es war nicht einmal besonders groß. Nur der Name ließ Rückschlüsse auf seine besondere Vergangenheit zu. Es hieß: »Das relative Haus«. Hier hatte Albert Einstein also während seiner Zeit in De Haan gelebt.
Nach dem Drücken des Klingelknopfes ertönte eine klassische Melodie, Pit vermutete Mozart, allerdings vermutete er bei Klassik immer Mozart. Eine alte Haushälterin öffnete die Tür und verwies ihn nach kurzem Gespräch in den Keller, wo der Künstler um diese Zeit immer arbeite. Das
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