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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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war.
    Es wurde ein langer Abend an der Bar des »De Boerenpummel«. Die Chocolatiers diskutierten die Juryentscheidungen und tranken belgisches Bier, das klassische, mit Hopfen, Malz und Hefe gebraute, aber auch außergewöhnlichere Sorten mit Kirschen, Himbeeren oder Gewürzen. Da gab es tolle Sachen, rund eintausend verschiedene Sorten, das hatte Pit nachgelesen. Einer der Gründe, warum er hergekommen war. Bier war einfach eine überzeugende Touristenattraktion.
    Je lauter es an der Bar wurde, desto weniger ertrug Pit es, in seinem Zimmer zu bleiben. Doch ein Jurymitglied – und war es nur der Schokobär – war für die Stimmung nun mal Gift und darum unerwünscht. Hätte er wenigstens in die Stadt gehen und sich durch Brügges Kneipen trinken können. Zum Beispiel in dem von Taxikollegen empfohlenen »Het Dreupelhuisje”« mit belgischer Livemusik in der Kemelstraat oder im berühmten urigen Pub »De Garre«. Pit hätte auch ein Ausflugsboot am Rosenkranzkai kapern und Schwäne jagen können oder, noch besser, an der Schokoladenorgie der Sponsoren und anderen Jurymitglieder teilnehmen können – wie Bietigheim jetzt. Doch dieser hatte klipp und klar gesagt, Pit müsse gerade an diesem Abend, an dem die Emotionen hochkochten, die Chocolatiers im Auge behalten. Pit hatte das Fenster offen und behielt sie im Ohr. Wenn es zu einem Streit käme, wäre er umgehend da.
    Pit grummelte.
    Er musste sich natürlich nicht an die Anweisung des Professors halten.
    Pit Kossitzke war ja kein Angestellter!
    Missmutig setzte er die zehnte Flasche Bier von seinen Lippen ab und stellte sie neben die anderen, die er auf dem Boden zu einem Kreuz aufgestellt hatte. Drum herum lagen strahlenförmig die länglichen Plastikschälchen von acht Frikandeln Speciaal. Heute hatte er auf Fritten verzichtet. Man sollte so etwas Gutes nicht zu oft essen, sonst verdarb man es sich. Also nur jeden zweiten Tag. Oder jeden anderthalbten. Wobei diese Regel natürlich nicht für Currywurst galt. Oder Bratwurst. Oder eine schöne Krakauer. Erst recht nicht für seine Lieblingswurst, die göttliche Käsekrainer. Aber das verstand sich ja von selbst.
    Pit setzte die elfte Flasche an. Ein dunkles Quadrupel mit hohem Alkoholgehalt. 12   %, stand darauf. Gut so. Unter 10   % ließ Kummer sich eh nicht effektiv ertränken.
    Pit sollte noch einige Bierflaschen damit beschäftigt sein, denn die Chocolatiers saßen bis zwei Uhr früh zusammen. In der Zwischenzeit hatte Pit lange mit Diana in Cambridge telefoniert und sich erkundigt, wie alles ohne ihn lief. Leider gut. Ein paar Probleme hätten Pit gefallen. Vielleicht wollte sie die ihm gegenüber auch einfach nicht zugeben. Es war schön, ihre Stimme zu hören, sich ihr Lächeln dabei vorzustellen, manchmal ihren vorwurfsvollen Blick und wie sie die Hand in ihre Hüfte stemmte oder diese eine widerspenstige Haarsträhne zurückstrich. Sonst kümmerte sich Pit immer um die. Er hatte Fotos von Diana auf seinem Handy. 3786, um genau zu sein. Es waren immer noch nicht genug. Noch lieber sah er sich die Filme von ihr an. Diana hasste es, fotografiert zu werden, und noch mehr, wenn er sie filmte. Deswegen wehrte sie auf allen – zumindest auf allen, bei denen sie nicht schlief – Pits Filmversuche mit den Händen ab, hielt sich etwas vor das Gesicht oder rannte gleich davon. Dabei lachte sie manchmal, schaute wütend oder genervt. Pit liebte jeden ihrer Ausdrücke. Er hatte sich die kurzen Sequenzen nach dem Telefonat immer und immer wieder angeschaut, während das Bierkreuz bis zu den Zimmerwänden gewachsen war.
    Nur kurz war er eingenickt, doch als er aufwachte, ging das Licht nicht mehr. Stromausfall. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass dieser wohl ganz Brügge betraf, denn selbst in der Ferne war kein Leuchten auszumachen. Er zündete sich eine Zigarette an und machte sich auf den Weg zur Bar. Alle Flaschen waren leer, jetzt brauchte er Nachschub.
    Es war still, als Pit auf Socken durch den Hotelkorridor schlurfte – und es machte irre Spaß, auf dem glatten Boden etwas Anlauf zu nehmen und ein paar Zentimeter zu gleiten. Ein bisschen wie Surfen. Sockensurfen.
    So kam es, dass Pit fast geräuschlos die finstere Hotelbar betrat.
    Und etwas sah.
    Edward Macallan war noch wach und saß am hinteren Ende des Tresens. Er hielt eine Bierflasche in der Hand und redete mit jemandem. Aufgebracht.
    Dieser Jemand stand draußen vor der geöffneten Terrassentür. Nebel war vom Meer herübergezogen, kroch

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