Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
noch einmal die Ereignisse Revue passieren, die ihn hierhergebracht hatten, und ein Angstschauer lief ihm über den Rücken. Noch hatte er sich nicht erholt von der furchtbaren Verfolgungsjagd im Regen, die Ricardo das Leben gekostet hatte.
Doornick und Teodoro hatten sich ins Dorf gerettet, nach einer simplen, aber stichhaltigen Logik: Wer sollte je auf die Idee kommen, sie dort zu suchen?
Dann war er gezwungen gewesen, sich der Realität zu stellen. Die Leute von der Firma mussten Ricardos Leiche sofort mit ihm in Verbindung bringen und ihm die Verantwortung für den Anschlag auf die mit Waffen beladenen LKW zuschreiben. Doornick war inzwischen für alle Männer der Firma und für Lozano ein Saboteur, und er würde nicht dieChance bekommen, irgendjemandem seine Version zu erzählen. Und selbst wenn, würde ihm doch keiner glauben.
Schließlich hatte er festgestellt, dass ihm das egal war. Er zog schon seit zu vielen Jahren in der Weltgeschichte herum, seit zu langer Zeit gab es keinen Ort für ihn, den er »Zuhause« nannte, seit zu vielen Jahren hatte er keinen Freund mehr, der nicht ein Kollege gewesen wäre, keine Frau, die er nicht bezahlt hätte. Seit zu langer Zeit baute er Mauern, auch um sich selbst herum.
Vielleicht war das ein Wink des Schicksals, sagte er sich. Er würde bei den Mapuche bleiben, bis Gras über die Sache gewachsen war, und dann würde er ganz abtauchen. Irgendwie würde er sich nach Buenos Aires durchschlagen, und von da nach England, zum Teufel mit Lozano, dem Prinzen und der ganzen Firma!
Am Vorabend hatte er Paco kennengelernt, der den Anschlag auf Baustelle Sechs gemeinsam mit Ana María ins Werk gesetzt hatte. Auch er war wie durch ein Wunder der Explosion und den Häschern entgangen. Doornick hatte ihm erklärt, dass sie beide die Wurfdistanz der Molotowcocktails nicht falsch kalkuliert hatten. Sie konnten nur nicht wissen, dass die Laster voller Waffen und Sprengstoff waren. Deshalb war die Detonation so verheerend gewesen.
Paco und Ana María hatten ausführlich von dem Kampf der Mapuche erzählt, und Doornick war ganz bewegt gewesen.
Aber jetzt, in der kühlen Morgenluft, betrachtete er die Dinge wieder nüchterner. Was zum Teufel hatte er damit zu schaffen? Sie sollten sich ihr Land allein zurückholen, oder nicht? Vielleicht mit Hilfe von Leuten wie Teodoro, der ebenfalls seit Jahrzehnten hier lebte, aber sich da draußen in der Welt äußerst gewandt zu bewegen wusste.
Beim Gedanken an seinen Bauleiter hielt er einen Moment inne: Er schuldete ihm sein Leben. Also bitte: Mit Leuten wieTeodoro auf ihrer Seite würden die Mapuche von Chubut ihren Krieg vielleicht sogar gewinnen. Einer wie Doornick dagegen, wozu sollte der gut sein? Er war kein Robin Hood und schon gar kein Held. Er würde nach Hause zurückkehren, und die Firma und die Mapuche sollten ihre Probleme alleine lösen, schließlich war er aus Liverpool, zum Henker noch mal!
Der Schatten von Ana María glitt aus der Hütte. Sie stellte sich neben ihn, ohne ein Wort zu sagen. Ihr Blick schweifte über die üppige Vegetation, die sie umgab, streifte das schwarzrosa Ferkel und blieb schließlich an Doornick haften.
»Weißt du, was ›Mapuche‹ in unserer Sprache bedeutet?«, flüsterte sie.
Er schüttelte den Kopf.
»›Mapu‹ bedeutet Erde. ›Che‹ bedeutet Mensch. Die Mapuche sind das Volk der Erde. Dieser Erde.« Sie unterstrich ihre Worte mit einer weit ausholenden Geste.
»Ich kann euch nicht helfen«, murmelte Doornick.
»Natürlich kannst du das«, erwiderte sie, als wäre das die offenkundigste Sache der Welt. »Du weißt alles über die Mauer, weißt, wo die Baustellen sind, die Lager, der Sprengstoff …«
»Euer Krieg ist schon so gut wie verloren. Ihr habt keine Ahnung, wie mächtig die Firma ist.«
Ana María brach in Gelächter aus. »Wir haben noch nie einen Krieg verloren«, sagte sie und setzte ihm einen Finger auf die Brust. »Wir haben schon immer gekämpft. Gegen die Inkas, dann gegen die Spanier, dann gegen die Generäle hier und gegen Pinochet auf der anderen Seite der Anden.«
»Pinochet?«
»Genau. Allende hatte uns im Zuge seiner Agrarreform siebenhunderttausend Hektar Land zurückgegeben. Weiß du, was Pinochet sagte, nachdem er ihn gestürzt hatte?«
Doornick schüttelte verneinend den Kopf.
»Er sagte, dass wir gar nicht existieren. Und gab das Landwieder an die Großgrundbesitzer. Damit begann die Jagd auf die Mapuche.«
»Das ist sehr bewegend, aber ich bin
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