Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
…«
»Genau, Liam: Die Welt bleibt mit einem Mal stehen, still und leise.«
»Vielleicht plant ZeroOne das, was wir uns ausmalen. Und David könnte entführt worden sein, weil er etwas entdeckt hat.«
»Das ist es, was ich befürchte«, hauchte Alanna.
»Aber eines verstehe ich nicht.«
»Was?«
»Warum sollte eine Firma Interesse daran haben, eine globale Katastrophe auszulösen? Sie würde selbst mit untergehen.«
»ZeroOne gehört zu einer Holding, deren Eigentümer ein Araber ist.«
»Auch du bist Araberin, aber ich glaube nicht, dass du von der Zerstörung des Planeten träumst.«
»Das ist nicht der Punkt: Die Welt ist voller Fanatiker, egal ob Araber oder nicht. Und eine digitale Apokalypse wäre für die weniger entwickelten Nationen ein Vorteil, zumindest theoretisch. Sie würde den Satan des Westens in die Knie zwingen … Von wegen World Trade Center, dagegen ist Bin Laden ein Waisenknabe!«
»Das alles sind aber nur Hypothesen. Mutmaßungen«, protestierte Liam, als wollte er vor allem sich selbst überzeugen.
»Klar«, sagte sie mit herausfordernder Miene, »alles nur Mutmaßungen, die jedoch perfekt ineinandergreifen. Mutmaßungen, die eine vor zweitausend Jahren geschriebene Prophezeiung mit Ereignissen der letzten Jahrzehnte verknüpfen, von Tschernobyl bis zum Golfkrieg, die David, Molteni, mich und dich in Zusammenhang bringen, die ›Vernichter‹ und ZeroOne Code. Alles nur Mutmaßungen … purer Zufall.«
Liam fühlte sich mit einem Mal völlig entkräftet. Er ließ sich auf den Teppichboden sinken, lehnte den Rücken gegen die Bücherwand und vergrub seinen Kopf in den Händen. »Was sollen wir tun, Alanna? Das alles geht weit über unsere Möglichkeiten.«
Alanna kam und setzte sich zu ihm. Sie legte die Arme wie schützend um ihre Knie. »Wir müssen die Original-Schriftrollen suchen. Oder zumindest die aus dem Westen, wenn wir Moltenis Verdacht glauben, dass die andere vernichtet wurde. Und wir müssen herausbekommen, wie viel Zeit noch bleibt.«
»Wir sitzen hier in Turin fest, im wahrsten Sinne des Wortes«, sagte Liam niedergeschlagen, »und Moltenis entscheidende Informationen sind in Rom. Außerdem, selbst wenn wir wie durch ein Wunder die Schriftrolle des Westens finden sollten: Ich als Meister dürfte sie nicht lesen. Das ist seit Jahrhunderten festgelegt.«
»Aber Molteni kannte das Datum«, erwiderte Alanna prompt. »Es ist daher wahrscheinlich, dass auch du es irgendwie erfahren kannst.«
Er drehte sich zu ihr um und betrachtete sie voller Bewunderung und Dankbarkeit. Die Kraft dieser Frau war wirklich unglaublich, sie gab niemals auf. Und es war seine Pflicht, es ihr gleichzutun.
Entschlossen stand er auf, ging zu einer der beiden Pritschen, warf die Matratze herunter und begann, an den Federn des Gestells herumzuhantieren.
Alanna trat zu ihm. »Was machst du da?«
»Da ist eine leichte Delle im Boden, genau da, wo wir saßen«, sagte er.
»Und?«
Liam antwortete nicht. Er zerrte an dem Netz aus Federn, bis er einen der Stahlhaken befreit hatte, die es in Spannung hielten. Dann löste er noch einen heraus und hielt ihn Alanna hin.
»Los, gehen wir es an«, sagte er.
»Was gehen wir an?«, fragte sie und schaute skeptisch auf den Stahlhaken.
»Den Teppichboden aufzureißen.«
66
Ort: Turin
Weltzeit: Sonntag, 28. Juni, 12.02 Uhr (GMT)
Ortszeit: 14.02 Uhr
Keine Gefahr. Die wirklich gefährlichen Menschen legen Wert auf Ordnung. Das war Commissario Giancarlo Santovitos erster Gedanke, als er die Wohnung betrat.
Die Diele war geräumig, mit Kassettendecke. Der Fußboden, ein wunderschönes Parkett mit Intarsienelementen, war seit Ewigkeiten nicht mehr poliert worden, und alles Übrige wirkte verstaubt und ungepflegt: Hässliche Zeichnungen, die mit Tesafilm an die Wände geklebt waren, eine überquellende Garderobe, Schuhwerk flog herum, in einer Ecke standen ein Fahrrad und ein Paar Skier. Nein, keine Gefahr, wiederholte der Commissario im Stillen.
In fünfunddreißig Dienstjahren hatte Santovito gelernt, mit einem Blick Orte und Menschen einzuschätzen, und selten hatte er seinen ersten Eindruck revidieren müssen, was den Grundsatz bestätigte, dass nur oberflächliche Polizisten Äußerlichkeiten nicht einzuschätzen wussten.
Tags zuvor war er sechsundfünfzig Jahre alt geworden. Er hatte im Kreis seiner Familie gefeiert: ein opulentes Abendessen zu Hause. Dann hatte er sich vor dem Fernseher dem Vergnügen hingegeben, sich von seiner
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