Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Enkelin den graumelierten Schnurrbart zupfen zu lassen, während er sich selbst zu diesen tiefschwarzen Augen beglückwünschte, die er dem Kind vererbthatte. Leider war im schönsten Moment, wie vom Staatsanwalt angekündigt, der dringende Anruf von Heaney eingegangen, dem irischen Verbindungsmann von Interpol in Italien.
Er meinte, dass er genug von der Wohnung gesehen hätte. Er ging die letzten Meter durch den Korridor und kehrte in die Küche zurück. Heaney saß vor Giuseppe Russo, dem ehemaligen Studenten des irischen Professors, den sie suchten. Russo war einer der fünf Mieter, die sich das Apartment teilten.
»… und von dem Moment an waren sie also verschwunden?«, fragte Heaney in seinem exzellenten Italienisch.
»Wie ich bereits sagte«, seufzte der junge Mann und streckte seine Storchenbeine aus, »ich schlief gerade. Alles was Professor Brine zurückgelassen hat, ist dieser Zettel.«
Heaney reichte Santovito den Schrieb. Dieser las: »Danke für die Gastfreundschaft, Giuseppe. Ich melde mich bald wieder. Liam.«
»Dürfen wir das behalten?«, fragte er dann Russo in höflichem Ton.
»Von mir aus, wenn es Ihnen weiterhilft«, antwortete der Student.
Santovito gab Heaney den Zettel zurück und setzte sich ebenfalls.
»Darf ich jetzt erfahren, was Professor Brine zugestoßen ist?«, fragte Russo, aufrichtig besorgt.
»Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«, vernahm ihn Santovito.
Russo überlegte eine Weile, wobei er sich mit einem Finger auf die Lippe klopfte. »Wenn Interpol bei mir am Sonntagnachmittag um zwei Uhr vorstellig wird und sich nach einem Freund erkundigt«, antwortete er schließlich, »dann nehme ich an, dass dieser Freund in der Klemme steckt.«
»Wirkte Brine auf Sie wie jemand, der in der Klemme steckt?«, bohrte der Commissario nach.
»Ja. Er kam mir irgendwie komisch vor, anders als sonst. Er war beunruhigt … auch die Frau … Ich wollte wissen, was los war, aber er meinte, er könne mir nichts sagen.«
»Und was glauben Sie, wo er jetzt ist?«, fragte wieder Santovito.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
»In Rom vielleicht?«
»Ich dachte, von dort wäre er gekommen.«
Der Commissario schaute ihn an, ohne zu antworten. Er stand auf, was Heaney ihm sofort gleichtat.
»Die anderen Bewohner?«, erkundigte er sich dann.
»Wie ich bereits Ihrem Kollegen sagte, hat niemand von ihnen mit dem Professor geredet, und auch nicht mit der Frau«, erklärte Russo.
»Gut, Herr Russo, ich danke Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft. Wenn wir Sie noch einmal brauchen sollten …«
»Kein Problem«, unterbrach ihn der Student und stand auf. Er drückte beiden die Hand und brachte sie zur Tür. »Verraten Sie mir nur eines, bitte«, sagte er mit besorgter Miene: »Ist Professor Brine in Gefahr?«
»Das befürchten wir«, antwortete der Commissario.
»Dann bitte ich Sie, mich auf dem Laufenden zu halten«, sagte der Student verstört.
»So weit uns dies möglich ist.«
Santovito las an den Augen des jungen Mannes ab, dass er ehrlich betroffen war. Es war der Blick eines Menschen, der einem Freund geholfen und erst hinterher gemerkt hat, in was für eine gravierende Lage er sich gebracht hat. Er hatte diese Verstörung sehr oft angetroffen, wenn sie nach untergetauchten Personen fahndeten. Wer zurückbleibt, möchte, dass alles so schnell wie möglich wieder seinen gewohnten Gang geht. Die romantische Vorstellung von Flucht und einem Abenteuer mit Happy End ist zwar recht hübsch, aber wenn manmit der harten Realität konfrontiert wird, dann wählt man meistens doch die sicherste Lösung: Man vermeidet, dass das Unglück der anderen das eigene beschauliche Leben berührt.
Als sie auf der Straße waren, ging Heaney zum Auto, während Santovito sich umsah, auf der Suche nach irgendeinem Hinweis, der sie weiterbringen konnte. Die Straße war nicht stark befahren, und auch Passanten gab es kaum.
Er wollte schon aufgeben und sich Heaney anschließen, als er etwas entdeckte, was er bei der Ankunft übersehen hatte. Wenige Meter vom Hauseingang entfernt lag ein Juwelierladen. Rechts davon hing an der Mauer eine kleine Überwachungskamera, die für die Sicherheit der Auslagen sorgte. Santovito trat zur Seite und versuchte sich in der Längsachse des Objektivs zu platzieren. Nach seiner Einschätzung musste die Kamera, bei ausreichender Brennweite des Objektivs, auch die beiden Flüchtigen beim Verlassen von Russos Haus gefilmt haben, und mit ein wenig Glück sogar ein
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