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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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bereits auf dem Tisch. Eine teure Röstung, wie der Professor sogleich roch.
    »Es freut mich wirklich sehr, einmal einen berühmten korsischen Käsemacher willkommen zu heißen.«
    »Ich habe Ihnen auch etwas mitgebracht«, sagte Davide und überreichte einen korsischen Madenkäse. Wie es sich gehörte mit noch lebenden Tierchen darauf. Monsieur Bourcin war angemessen beeindruckt, holte sich sogar gleich ein Stück Brot und verkostete das Geschenk.
    »Herrlich würzig, ganz großartig!« Er tupfte sich den Mund ab. »Und nun erzählen Sie mir, was Sie zu uns führt. So gern ich glauben möchte, dass Sie nur unser Werk besichtigen wollten, so genau weiß ich doch, dass die Zeit eines Käsemachers dafür viel zu wertvoll ist. Sie sagten meiner Sekretärin, Sie hätten ein Anliegen?« Bourcin lehnte sich in seinem Polstersessel zurück und führte die Fingerspitzen zueinander.
    Nun würde der Köder namens Davide Aleppo etwas zappeln, dachte der Professor. Damit der große Hecht Bourcin zubiss.
    Der junge Käser lächelte verlegen. »Ich habe gehört, dass Sie zurzeit kleine Käsereien aufkaufen und wollte …«
    »Sie sehen mich überrascht«, fuhr Bourcin dazwischen. Er schien tatsächlich überrascht, ja, sogar ein wenig verärgert. »Ich wusste nicht, dass die Kunde schon bis zu Ihnen nach Korsika gedrungen ist.«
    »Die Käsewelt ist klein.«
    Das Gesicht von Louis de Funès änderte sich. Die Augen verengten sich zu Schlitzen. »Die Käsewelt ist mafiös ! Ihre Überraschung ehrt Sie, vielleicht ist es in Korsika noch nicht so, weil – entschuldigen Sie meine Offenheit – Ihre Heimat bei Spitzenkäsen ein Entwicklungsland ist.«
    Der Professor fand, es war an der Zeit nachzuhaken. »Mafiös?«
    »Es herrschen mafiöse Strukturen, nichts anderes. Und dieses Rattennest gilt es auszuräuchern. Verzeihen Sie, dass ich so erregt bin, aber dieses Thema beschäftigt mich schon lange. Ich bin Ihnen, lieber Herr Aleppo, aber noch eine Antwort schuldig: Ja, wir kaufen momentan Käsereien auf, weil wir eine Exklusiv-Linie etablieren möchten. Aber unsere Expansionsstrategie sieht vor, zuerst nur Betriebe auf dem französischen Festland zu übernehmen. Erst im zweiten Schritt sollen Käsereien außerhalb dieses Kernbereichs folgen. Dann werden wir uns sicherlich nochmals unterhalten.« Er griff sich abermals das Brot mit dem Madenkäse und biss hinein. »Einzigartig!«
    Die Erzeugnisse der Spitzenproduzenten würden Frombel fraglos die Türen zu den besten Restaurants des Landes öffnen. Und viel wichtiger: Der Glanz dieser Qualitäten würde auch auf ihre Supermarkt-Pampe abfärben.
    »Ist es richtig«, schaltete sich nun wieder der Professor ein, »dass Sie auch die Absicht haben, Madame Poincarés Käserei zu kaufen, Gott hab sie selig.«
    »Oh nein, das haben wir nicht vor.«
    »Nein?«
    »Nein.« Bourcin lächelte und sah jetzt gar nicht mehr aus wie Louis de Funès. Es sei denn, Louis de Funès hätte einen New Yorker Finanzhai gespielt. »Denn sie gehört uns bereits. Heute Morgen hat Madame Poincarés Erbe den Kaufvertrag unterschrieben. Wir bekommen die Käserei aus dem Nachlass und der örtliche Bürgermeister die Kuhweide. Alle sind glücklich.«
    Der unscheinbare Benoit. Unscheinbar, aber geschäftstüchtig.
    »Aber keiner kennt die Rezeptur des Käses«, wandte der Professor ein. Doch auch dadurch wich das Lächeln nicht vom Gesicht des Käsegiganten.
    »Wir haben unsere Leute. Sie werden ein bisschen herumexperimentieren, das kriegen wir schon hin. Doch selbst wenn es ihnen nicht zu hundert Prozent gelingen sollte, der Vacherin d'Epoigey wird nicht sterben.« Er blickte auf die Uhr. »Oh, mein nächster Termin ruft leider. Ich darf mich entschuldigen.«
    Und damit setzte er sie vor die Tür.
    Beim Hinausgehen kamen sie an einem Großraumbüro vorbei, und der Professor erhaschte einen Blick hinein. Er erblickte es nur aus dem Augenwinkel, doch das Motiv auf einem der Computerbildschirme schickte ein Schaudern über seinen Rücken: ein Foto von Madame Poincaré, daneben Monsieur Vesnin und vier weitere der berühmtesten Käsemacher Frankreichs. Sie standen im Halbdunkel hinter einer silbernen Anrichteplatte, auf der ihre Käse drapiert waren. Darüber prangte der Slogan: »Käse ist Leben – die Besten von Frombel.«
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