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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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eisgekühlter Longdrink.
    »Mademoiselle Leroy?«
    Leise ging er die durch jahrhundertelange Benutzung in der Mitte abgetretenen Steinstufen in den Weinkeller hinab, denn dort brannte Licht.
    Jan hätte nochmals rufen können, sich ankündigen, doch er wollte lieber überraschend in der Tür stehen. Am besten mit einem Lächeln, und ihre Augen in diesem ersten Moment des Erkennens sehen, in dem sich niemand verstellen konnte. Dann würde er wissen, ob in ihr eine auch noch so kleine Flamme für ihn brannte, die er anfeuern konnte.
    Doch stattdessen blieb er im Durchgang stehen, im Schatten, und betrachtete Béatrice Leroy schweigend.
    Sie verkostete gerade einige Fässer, saugte den Wein mit einem Schlauch in ein Glas, kaute und schlürfte ihn, und spuckte dann in eine kupferne Kanne, die sie mit sich von Fass zu Fass trug. Wie elegant sie das tat, wie zielsicher sie traf. Wie eine Elfe. Ganz bestimmt: Genau so würden Elfen ihren Wein ausspucken.
    Okay, er war total verliebt und nicht mehr bei Sinnen.
    Jan wusste das – und es war ihm egal. Er fand es sogar richtig klasse, ein verliebter Idiot zu sein.
    Er seufzte, und Béatrice blickte auf, in seine Richtung. Jan hielt die Luft an. Unendliche Sekunden lang.
    Dann ging sie einfach weiter zum nächsten Fass.
    Mist, jetzt konnte er sich nicht mehr blicken lassen. Dann wüsste sie nämlich, dass er dort gestanden und ihr zugeschaut hatte. Er musste weg, idealerweise absolut lautlos. Am besten löste er sich in Luft auf.
    Nur noch einen letzten Blick.
    Béatrice hielt inne. Sie schaute lange auf das Fass vor sich, ein nagelneues, das etwas abseits der anderen stand. Ihre Hand fuhr darüber, streichelte es sachte. Dann sank sie, mit dem Rücken dagegen gelehnt, hinunter auf den kiesbedeckten Boden und weinte. Die alten Steinwände warfen ihr Schluchzen hohl auf sie zurück.
    Jan wollte zu ihr, sie in den Arm nehmen, sie an sich drücken, doch das ging nicht. Aber weiter stehen bleiben und ihr beim Weinen zusehen konnte er auch nicht. Das war schrecklich.
    Was hatte sie nur so traurig gemacht? Egal, wie schlecht ein Wein war, zum Heulen brachte er einen Winzer sicher nie.
    Als er endlich mit pochendem Herzen das Eingangsportal von außen hinter sich schloss, saß ein Mann auf der Bank vor dem Weingut. Er hatte fünf prall gefüllte Plastiktüten, zwei Einkaufswagen, aber nur ein Ohr.
    »Ist die Hausherrin da?«, fragte der Clochard.
    »Im Weinkeller, aber ist gerade schlecht. Ist noch Platz auf der Bank? Ich muss mich mal setzen.«
    Der Einohrige rückte zur Seite.
    »Ich bin Nicolas, aber alle nennen mich Einohr. Früher war ich beim Zirkus. Messerwerfer.«
    »Jan. Fotograf und Journalist – bin aber privat hier.«
    Irgendwas klingelte in Jans Kopf. Aber er wusste nicht, wie er rangehen konnte.
    »Ich bin auch privat hier«, sagte Nicolas. »Ich brauche ein Dach über dem Kopf, es soll regnen heute Nacht. Hier bekommt man manchmal eins und noch etwas Brot dazu. Allerdings nicht immer, die Mademoiselle ist launisch. Aber bei meiner ersten Anlaufstelle, der alten Madeleine, hat keiner aufgemacht.«
    Madeleine? Madame Poincaré! Pit hatte von diesem Clochard erzählt, er hatte eine Affäre mit der Toten gehabt.
    Er klärte Einohr über Madame Poincarés Dahinscheiden auf.
    »Oh.« Der Clochard blickte lange in den Himmel, als würde sie nun von dort herunterblicken. »War 'ne gute Frau, die Madeleine, 'ne richtig gute. Ein großes Herz hatte sie, ein riesiges sogar. Und ihr Käse war köstlich.«
    »Wie hast du sie denn kennengelernt?«
    Nicolas lächelte und entblößte dabei seine Zähne. Sie sahen aus, als wäre eine Bomberstaffel darübergeflogen.
    »Sie hat mich von der Straße geholt und nach einem anderen Clochard gefragt. Den kannte ich zufällig gut, wir waren lange zusammen unterwegs, bis runter nach Marseille, das Meer angucken, den Hafen, ist aber schon ein Weilchen her. Ich war ja früher Seemann, da zieht's einen immer wieder an die Küste. Und nachdem ich ihr alles über ihn erzählt hatte, vor allem, wie oft ich ihm aus der Scheiße geholfen habe, da ist sie mit mir hoch in ihr Zimmer. Das war eine schöne Nacht.« Er lehnte sich zurück.
    »Ich dachte, du wärst Messerwerfer gewesen?«
    »Ja, sicher. Vorher. So was füllt einen ja nicht ewig aus.«
    »Wie heißt denn der andere Clochard?«
    »Er nennt sich Pepe, weil er lange Zeit in Spanien gelebt hat. Aber das ist nicht sein richtiger Name. So was spüre ich, ich bin ja eigentlich Rechtsanwalt. Ich

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