Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
seinem Kleid auf.
    An diesem Punkt trat Trifkin Moosbere höchstpersönlich mit einer energischen Reihe von Überschlägen und Salti auf. Er kam vor dem Mädchen zum Stehen und griff ihr unters Kleid, riß das Bündel hervor und hielt es in die Höhe. Es war eine in Gelb gekleidete primitive Puppe, deren Haupt von einer gelben Krone gekrönt wurde. Travis entschied, daß er gerade die Geburt des Sommers gesehen hatte. Das Schauspiel endete mit einem Tanz, der den Rest des Dramas vergleichsweise gesittet erscheinen ließ, dann fielen die Schauspieler erschöpft auf den Treppen auf die Knie, während das Publikum seine Begeisterung herausschrie. Die Baumfrauen und die Ziegenmänner sprangen auf und verbeugten sich, gefolgt von Winter und Frühling. Als letzter erhob sich Trifkin und verbeugte sich, dann hob er noch einmal seine piepsige Stimme:
    »Ich will hoffen, euch gefiel unser lustiges Spiel,
wenn nicht, hört mich bitte an und macht nicht mobil.
Ihr müßt verstehen, wir gleichen den Schatten.
Eure Erinnerung wird gleich schon verblassen.
Und jetzt laßt die müden Häupter zur Ruh sich betten.
Husch, husch, auf eure Lagerstätten.«
    Die seltsame Schauspielertruppe raste vom Podium und verschwand durch eine Seitentür der großen Halle. Das Publikum blinzelte und gähnte, und als wären Trifkins Worte ein Zauber gewesen, nahm das Fest sein abruptes Ende. Die aufgebockten Tische wurden abgebaut, zusammengeklappt und an die Wände geschoben, dann breiteten die Leute aus Binsen gewobene Schlafmatten auf dem Boden aus. König Kel verschwand in dem Raum hinter dem zerlumpten Vorhang, und die geheimnisvolle Frau und ihr ritterlicher Gefährte waren nirgendwo zu sehen – sie mußten sich während des Schauspiels in ein Privatgemach zurückgezogen haben. Selbst Falken sah müde aus, als er seine Laute stimmte und sie dann in ihren Kasten legte. Anscheinend war Travis der einzige, der noch nicht zum Schlafen bereit war. Er betrachtete die Seitentür, durch die Trifkins Truppe verschwunden war. Der kleine Mann und seine Schauspieler wollten ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. An ihnen und ihrem Schauspiel war etwas Außergewöhnliches gewesen, obwohl er sich nicht sicher war, was genau es war.
    Fackeln wurden gelöscht, und bald füllte nur noch das rötliche Licht des Kaminfeuers die Halle, während die Menschen Kelciors sich zum Schlafen bereitmachten. Falken fand einen Platz in einer Ecke, und er und Travis legten sich hin und wickelten sich in ihre Umhänge ein. Überall um sie herum erfüllten Geräusche das Halbdunkel: Geschnarche, gemurmelte Unterhaltungen, die leisen Geräusche sich Liebender. Travis versuchte die Augen zu schließen, aber er war nicht müde.
    »Glaubst du wirklich, er hätte uns rausgeworfen?« flüsterte er nach einer Weile. »Ich meine König Kel. Er scheint ein ziemlicher Barbar zu sein.«
    »Nein, wir schwebten in keiner echten Gefahr«, sagte Falken schläfrig. »Zumindest glaube ich das. Kel benimmt sich gern schrecklich, aber ich habe den Verdacht, daß in dieser gewaltigen Brust ein großes Herz schlägt.« Er seufzte müde. »Jetzt schlaf, Travis Wilder.«
    Trotz seiner Erschöpfung starrte Travis noch lange in die verqualmte Luft, nachdem Falkens Atemzüge tief und langsam geworden waren.

31
    Travis schlug die Augen auf. Das Feuer war heruntergebrannt, und in der Halle herrschte bis auf leise Atemgeräusche Stille. Es war mitten in der Nacht. Er setzte sich auf, legte den Kopf schief und lauschte. Was hatte ihn aufgeweckt? Er war sich nicht sicher, aber es hatte beinahe geklungen wie … Glocken?
    Plötzlich war Travis hellwach. Er sah zu Falken hinüber, der neben ihm im Halbdunkel lag. Der Barde hatte die Augen geschlossen und schnarchte leise.
    »Du solltest weiterschlafen, Travis«, flüsterte er an sich selbst gewandt, während er leise aufstand. Er warf einen letzten Blick auf Falken, dann suchte er sich einen Weg vorbei an den Körpern, die auf dem Hallenboden schliefen. Er sollte dies hier nicht tun. Zumindest war es ausgesprochen dumm, mitten in der Nacht in einer fremden Burg umherzuwandern, und im schlimmsten Fall konnte es gefährlich werden. Doch das letzte Mal, als er solche leisen Glocken gehört hatte – auf dem Highway außerhalb von Castle City –, hatte alles angefangen, sich zu verändern. Vielleicht gab es eine Verbindung, die ihm helfen konnte, einen Weg nach Hause zu finden.
    Er trat auf etwas Weiches, ein schläfriger Protest ertönte. Travis erstarrte und

Weitere Kostenlose Bücher