Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
nächste Strahl ans glühendheißer gelber Energie an dem metallischen Himmel verglühte.
Reiß dich zusammen, Schwester. Das ist doch nur ein Feuerwerk und sonst nichts. Als Mädchen bist du in den Regen hinausgelaufen, um dir schlimmere Stürme als den hier anzusehen.
Aber das hier war nicht Süd-Toloria, wo warme Wolkenbrüche grüne Hügel wuschen, während Blumenduft die Luft erfüllte. Es war auch nicht der Lärm des Sturms, der Nadeln in ihren Schädel trieb, bis sie glaubte schreien zu müssen. Donner wäre ein Trost gewesen. Statt dessen krochen Blitze schlangengleich über den Himmel, und der einzige Laut war das Knirschen des vom Wind hochgeschleuderten Sandes, der zugleich Stein, Fleisch und Nerven blank scheuerte.
Sie kniff die Augen fest zusammen und hielt wieder mit ihrem Bewußtsein Ausschau – vergeblich. Falls es an diesem Ort noch eine Spur der Weltenkraft oder von irgendwelchem Leben gab, befand sie sich außerhalb ihrer Reichweite. Dieser Ort hieß nicht grundlos die Ödnis.
Nach drei Tagen der Reise durch die leere Steppe waren sie kurz vor dem gestrigen Sonnenuntergang an den Rand einer nackten, zerborstenen Ebene gekommen. In der Ferne waren Blitze vom Himmel gezuckt, die scharfkantige, aus dem Boden emporragende Schlackehügel und die Ränder tiefer Erdspalten beleuchteten. Lirith hatte das Gefühl gehabt, vor eine Mauer zu laufen: So mußte sich der Tod anfühlen.
»Was ist das für ein Ort, Falken?« keuchte sie.
Durge antwortete mit seinem üblichen Ernst. »Das ist die Ödnis, Mylady.«
Falken ließ den Blick über das leblose Land schweifen. »Lange bevor es auf dieser Welt Menschen gab, führten hier die Gordrim und die Eldhari – die Drachen und die Alten Götter – miteinander Krieg. Die Drachen wollten die Welt zerstören, und die Alten Götter sie wieder aufbauen.«
»Und wer hat gewonnen?« fragte Durge.
Lirith seufzte. »Keiner von ihnen, so wie es hier aussieht.«
Falken warf ihr einen durchdringenden Blick zu, dann lenkte er seinen Hengst einen trügerischen Abhang hinunter und betrat die Ödnis. Lirith und Durge schlossen sich ihm an.
Stundenlang suchten sie sich ihren Weg durch ein zerstörtes Land, in dem kein Regen fiel, kein Wasser floß und es seit einer Ewigkeit kein Leben mehr gegeben hatte. Für Lirith, die an die ständige Gegenwart der Weltenkraft gewöhnt war, die sie wie ein warmer, goldener Mantel einhüllte, war es, als halte man sie in einen Steinsarkophag eingesperrt.
Irgendwann erschienen sie dann im Licht der Blitze: gewaltige Säulen, die man aus einem Felsmassiv herausgeschlagen hatte und hinter denen nur Finsternis herrschte. Weder Lirith noch Durge brauchten Falken, um ihnen zu erklären, daß das der Ort war, nach dem sie gesucht hatten. Die Flammenfestung.
»Aber warum ist es so dunkel?« fragte Durge. »Ich sehe auf den Stufen keine Wächter. Müßte es keine Verteidigung geben, um andere am Eindringen zu hindern?«
Falken schüttelte den Kopf. »Dakarreth braucht keine Wächter. Er hat … seine eigenen Verteidigungsmöglichkeiten.«
Zusammen waren sie über das letzte Stück zerborstenen Felsgesteins auf die Festung zugeritten.
Und jetzt erschauderte Lirith, als sich der nächste Blitz über den Himmel schlängelte. Eine Gestalt sprang von dem Rand des Felsüberhangs, wo sie vor dem Sturm Schutz gesucht hatten und wo sie laut Falkens Befehl warten sollten. Sie schaute auf und blickte in grimmige braune Augen.
»Kein Zeichen von ihm?«
Der Embarraner schüttelte den Kopf, und Sand rieselte aus seinem Haar. Sein Schnurrbart war weiß verfärbt.
Lirith zwang sich zur Ruhe, ließ die Panik wie Wasser aus sich herausfließen. »Aber es ist erst eine Stunde vergangen, seit er hineingegangen ist, oder?«
Es war so schwer zu sagen, wie spät es war. Gestern bei Sonnenuntergang hatten sie das letzte Mal die Sonne gesehen. Es hatte keine Morgendämmerung gegeben. An diesem Ort waren Nacht und Tag gleich.
»Nein, Mylady«, sagte Durge und duckte sich unter den Felsüberhang, um wenigstens dem schlimmsten Wüten des Sturms zu entgehen. »Meiner Meinung nach sind es mindestens vier Stunden.«
Ihre Finger strichen über den Sandstein und versuchten, dort ein Loch zu graben. Sie zwang ihre Hand dazu, sich wieder zu entspannen. »Nun«, sagte sie mit betont ruhiger Stimme, »das bedeutet, daß er bald wieder da ist.«
»Ganz wie Ihr meint, Mylady.«
So leise Durges Worte auch gewesen waren, trafen sie sie doch wie der Sturmwind. Sie
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