Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
war auch ein Funken Neugier zu erkennen. »Das kommt auf das an, was Ihr mir zu sagen habt.«
Aryn kämpfte um Worte. Aber es gab einen leichteren Weg, als es selbst zu erklären. Sie öffnete die Faust und entfaltete das zerknüllte Pergament.
»Lest das«, sagte sie heiser.
Mirda nahm das Blatt vorsichtig. Sie las, zuerst mit höflicher Neugier, dann immer schneller. Aryn sah die Worte erneut vor ihrem inneren Auge, als hätten sie sich in ihr Gehirn gebrannt.
Meine liebste T.
Ich trete morgen Früh bei Einbruch der Dämmerung meine Rückreise nach Ar-Tolor an, und ich bin froh darüber. Ich fürchte, ich bin schon zu lange fort gewesen, und ich muss unbedingt erfahren, was sich in meiner Abwesenheit zugetragen hat. Vor allem will ich wissen, was Schwester L getan hat.
Ich bin mir jeden Tag sicherer, dass sie sich mit jemandem verbündet hat, der uns oder unseren Schwestern unbekannt ist. Aber wer ist diese Person, mit der L spricht? Ich würde viel dafür geben, dies herauszufinden, und ich hoffe, du hattest in dieser Angelegenheit Erfolg.
Ich muss gestehen, dass meine Furcht jeden Tag, den ich hier auf Calavere verbracht habe, noch gestiegen ist. Ich kann nicht sagen, warum das so ist. Seit ich meine Reise angetreten habe, scheint sich eine Dunkelheit wie eine schwarze Wolke auf meinen Verstand gelegt zu haben. Allerdings ist es heute plötzlich viel erträglicher als zuvor. Trotzdem weiß ich, dass meine Befürchtungen nicht unbegründet sind. Wie Schwester L entdeckt hat, dass es nicht den einen Runenbrecher gibt, von dem wir gewusst haben, sondern noch einen zweiten, weiß ich noch immer nicht. Aber viel schlimmer ist, dass sie den Zweiten zu benutzen scheint, ihn kontrolliert, und zwar zu einem Zweck, den wir nicht ergründen können.
Laut den Prophezeiungen wird ein Runenbrecher am Ende aller Dinge sein, und die Prophezeiungen können sich nicht irren. Vielleicht arbeitet Schwester L auf ein höheres Ziel hin, vielleicht glaubt sie ja, dass sie mit dem Befehl über diesen zweiten Runenbrecher dafür sorgen kann, dass die Dinge am Ende den von den Hexen gewünschten Verlauf nehmen und Eldh nicht zerstört wird. Ich will ihr das zugute halten, ganz egal, was sie mir angetan hat.
Aber was ist, wenn ihre Macht über diesen zweiten Runenbrecher nicht so perfekt ist, wie sie glaubt? Wenn sich unsere geheimen Quellen nicht irren, hat sie ihn mit einem Auftrag zum Schwarzen Turm geschickt, der einst die Heimstatt aller Runenbrecher war. Gibt es in diesem Turm noch Magie, die ihm helfen könnte, falls es sein Ziel sein sollte, Unheil zu säen? Ich fürchte um uns, liebe Schwester. Ich fürchte um die Welt.
Ich muss jetzt zum Ende dieser hastig geschriebenen Zeilen kommen. Die Zeit ist gekommen, meine letzte Pflicht dem König gegenüber zu erfüllen, indem ich ihm seinen Sohn übergebe, damit er heiraten kann. Und doch vermute ich, dass das gar nicht meine letzte Pflicht sein wird, oder? Vielleicht, was den Vater betrifft, aber nicht dem Sohn gegenüber. Ich verabscheue es, auf diese Weise mit dir zu sprechen, liebe T. aber es ist die einzige Möglichkeit, sicher zu gehen, dass wir nicht belauscht werden. Wenn alles gut geht und ich so schnell reise wie mein Kurier, sehen wir uns einen Tag, nachdem du diese Zeilen gelesen hast.
Deine Schwester I
Mirda hob den Kopf und faltete das Blatt zusammen. Mit drei Schritten war sie am Kamin und warf das Pergament in die Flammen. Es verbrannte sofort.
»Das sind ernste Neuigkeiten«, sagte die Hexe und drehte sich um. »Wisst Ihr, von wem die Königin in ihrem Brief gesprochen hat?«
Aryn schluckte, dann nickte sie. Die Königin hatte mit I unterschrieben, und Schwester T war zweifellos Tressa. Was bedeutete, dass Schwester L nur …
»Liendra«, flüsterte sie. »Irgendwie hat Liendra einen zweiten Runenbrecher gefunden. Ich wusste nicht, dass es mehr als einen geben kann, aber das tut es, und sie versucht ihn zu kontrollieren. Aber er wird sie verraten und sich etwas aus dem Schwarzen Turm nehmen, etwas, mit dem er Eldh Schaden zufügen kann.«
Mirda nickte grimmig. »Ich fürchte, es ist so, wie Ihr sagt. Es hat den Anschein, als läge viel Arbeit vor mir und meinen geheimen Schwestern.« Sie legte den Kopf schief, ihre braunen Augen richteten sich auf Aryn. »Es sei denn, Ihr hättet Euch entschieden, die Existenz unseres Schattenzirkels zu verraten.«
Aryn brauchte nicht länger darüber nachdenken, was sie tun sollte. Liendra verfolgte einen
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